Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein deutscher Wandersommer

Ein deutscher Wandersommer

Titel: Ein deutscher Wandersommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Kieling
Vom Netzwerk:
Kater zu und brüllte ihn tierisch an, während ich mit den Armen vor seiner Nase herumfuchtelte. Er duckte sich nur, machte aber keine Anstalten, von Cleo abzulassen. Da fegte ich ihn kurzerhand von ihrem Rücken. Doch statt die Flucht zu ergreifen – schließlich stand es nun zwei gegen einen –, griff der Kater Cleo erneut an! Ich konnte es gar nicht fassen! So eine Unverfrorenheit! Jetzt hatte Cleo echt die Schnauze voll. Sie machte ganz komische Laute, die sich für mich anhörten wie »Ich bin frustriert« – und stellte sich hinter mich.
    »Komm, wir packen zusammen und gehen! Ist besser so, außerdem sind wir ja Gast auf dem Hof«, sagte ich zu ihr.
    Als hätte der angriffslustige Kater mich verstanden, zog er endlich von dannen.
    Bis wir das Zelt abgebaut und unsere Sachen verstaut hatten, kam Wolfgang aus dem Haus, und ich erzählte ihm, was geschehen war.
    »Hm, tja, ich habe wahrscheinlich den selbstbewusstesten Kater Deutschlands. Der hat schon ausgewachsene Schäferhunde in die Flucht geschlagen, die echt was draufhatten.«
    Insofern war Cleo rehabilitiert, denn ein Schäferhund wiegt gut das Doppelte …
     
    Es gibt eine Menge alter Handwerksberufe in Deutschland, über die man trotzdem kaum etwas weiß, weil sie nur sehr selten ausgeübt werden. Einer davon ist der Küfer, je nach Region auch Böttcher, Büttner oder Schäffler genannt, der Behälter und Gefäße aus Dauben – das sind speziell geformte Holzstücke – fertigt, zum Beispiel Weinfässer. Als Laie denkt man sich vielleicht: Um ein Fass zu bauen, braucht man doch nur ein paar Holzbretter mit einem Eisenring zusammenzufügen, Boden und gegebenenfalls Deckel einzupassen, fertig! So dachte auch ich, doch ein alter Küfer, den Cleo und ich am Vormittag trafen, belehrte mich eines Besseren: Die Herstellung eines guten Fasses ist eine Kunst und erfordert sehr viel Kenntnis und Erfahrung.
    Dass es hier überhaupt einen Küfer gab, lag daran, dass in diesem Gebiet an der Elbe sehr schöne, große Eichen wachsen – das wichtigste Arbeitsmaterial zur Herstellung eines Weinfasses. Gerade gewachsen müssen die Eichen zudem sein, feinadrig und astfrei, da die Dauben nicht gesägt, sondern durch Spaltung gewonnen werden. Zwar könnte theoretisch jeder Laubbaum zur Herstellung eines Weinfasses genutzt werden – in Italien werden zum Beispiel neben Eiche Akazie und Kastanie verwendet –, dochEichenholz hat die beste chemische Zusammensetzung. Nadelbäume hingegen eignen sich überhaupt nicht, da das Harz im Holz das Atmen des Fasses und somit die Reifung des Weines verhindert.
    Wie beim Weinanbau hat jeder Wald sein »Terroir« – Bodenbeschaffenheit, Klima und so weiter –, das zusammen mit der speziellen Eichenart die Qualität des Fasses und damit des Weines bestimmt. Eichen aus Frankreich, zum Beispiel aus dem Burgund oder den Vogesen, genügen höchsten Ansprüchen. Für italienische Weine wird traditionell gern slawonische Eiche verwendet, und für Weine aus Syrah- und aus Tempranillo-Trauben eignen sich amerikanische Eichen. Diese paar Beispiele zeigen schon, wie weit das Feld ist.
    Die Dauben in die gewünschte Form zu biegen erfordert hohes Können und den perfekten Einsatz von Wasser und Feuer. Ist das Fass in seiner Grundform fertig, wird es ausgebrannt. Durch die Hitze werden chemische Reaktion im Holz in Gang gesetzt, die Einfluss auf das Aroma des Weines haben, der in dem Fass »ausgebaut« wird. Durch das Ausbrennen gelangen nämlich Phenole, aromatische Aldehyde oder Vanillin in den Wein und verleihen ihm einen ganz besonderen Geschmack. Dabei spielt es wiederum eine Rolle, ob der Wein in neuen oder in alten Fässern reift.
    Früher, so erzählte mir der Küfer, wurde ein Fass, aus dem ein besonders edler Wein hervorgegangen war, sogar zerstört, um die Einmaligkeit des Weines zu garantieren. Totale Verschwendung, da auf natürlichem Weg gar kein identischer Wein hätte hergestellt werden können. Das Holz hat sich durch die Erstnutzung bereits verändert, und das Klima, in dem die Trauben heranreifen, ist ebenfalls jedes Jahr anders, mal ein bisschen mehr Sonne, mal einbisschen mehr Regen. Alles Dinge, die den Geschmack des Weines beeinflussen. Wer sich an einem Wein erfreut, der Jahr für Jahr immer gleich schmeckt, kann sicher sein, dass da künstlich nachgeholfen wurde. So wie zum Beispiel manchmal auch Säckchen mit Holzspänen in einen Wein gehängt werden, der in einem Stahltank ausgebaut wird, um eine Reifung in einem

Weitere Kostenlose Bücher