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Ein Dicker Hund.

Ein Dicker Hund.

Titel: Ein Dicker Hund. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Sharpe
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entstammt, deren Stammbaum bis in die Zeit der Sachsen zurückreicht. Ein Turnbird hatte zusammen mit Harold in der Schlacht von Hastings gefochten, und derselbe Geist ihrer Ahnen beseelte jetzt Phoebe. Sie würde sterben, um ihren Mann zu kriegen. Tatsächlich kam Detective Constable Larkin dem Tod verdammt nahe. Es ist nicht gerade angenehm, von einer fünfundneunzig Kilogramm schweren Fünfunddreißigjährigen gegen den Kopf getreten zu werden, die mit Spiegeln redet und Gedichte verfaßt, bevor sie loszieht, um Füchsen und anderem Ungeziefer das Leben zur Hölle zu machen. Phoebe Turnbird zweifelte nicht im mindesten daran, daß es sich bei dem Ding unter dem Laub um Ungeziefer handelte, und wenn es eines Beweises bedurft hätte, wie ungezieferhaft es war, so lieferte sein mangelnder Widerstand diesen Beweis. Daß es pausenlos jammerte, es wolle lieber nicht in den Arsch gefickt werden bitte, es wolle kein Aids kriegen, steigerte weder ihren Respekt für noch ihre Zuneigung zu diesem Geschöpf. Um diesem Schwall schmutziger Worte ein Ende zu bereiten, kniete sich Phoebe Turnbird auf den Constable und preßte sein geschwärztes Gesicht in die matschige Erde. Die Kindlein um sie herum feuerten Phoebe an, und eins der älteren wurde von Consuelo McKoy ins Unterholz geführt, wo sie ihm etwas zeigte, das er noch nie zuvor gesehen hatte. Doch eine neue und erschreckendere Entwicklung bahnte sich in der Auffahrt nach Middenhall an. Die auf Kindesmißbrauch spezialisierten Familientherapeutinnen trafen in erstaunlichen Mengen ein. Sie stammten aus ganz Großbritannien und kamen gerade aus Tween, wo sie an einer dem Schließmuskel gewidmeten Konferenz teilgenommen hatten: Der Schließmuskel und seine diagnostische Rolle bei der Untersuchung von interfamilialem sexuellen Mißbrauch. Da kamen Teufelskultexpertinnen aus Schottland, Spezialistinnen für Analverkehr aus Südwales, Fachfrauen für oralen Sex bei Kleinkindern, Beraterinnen in Sachen gegenseitiger Masturbation bei Heranwachsenden, eine Reihe Expertinnen in Fragen der Klitorisstimulation, vier Chirurginnen (Spezialgebiet Vasektomie) und schließlich fünfzehn Nutten, die der Konferenz gern berichtet hätten, was Männer wirklich wollten. Wenn man sie so sah, wollten Männer alles, aber wirklich alles, was zwei Beine, einen kurzen Rock und einen Mund voller schlechter Zähne hatte. Und was darüber jammerte, wie wenig es gesellschaftlich anerkannt sei. »Benachteiligt« lautete das Schlüsselwort der Konferenz. Schließmuskel waren benachteiligt, Arschficker waren benachteiligt ... es hatte eine längere Debatte über die Frage gegeben, wer am benachteiligtsten sei, und alles in allem bekamen die Arschficker die meisten Stimmen, was hauptsächlich daran lag, daß sie – so die Erfahrung der Delegierten – für Frauen unter fünfundsechzig keine Bedrohung darstellten (in ihrem Fall: dargestellt hatten). Consuelo McKoy hätte ihnen etwas anderes berichten können. Was sie am Rande des Grundstücks im dichten Unterholz bekam, war nicht das, was sie erwartet hatte oder genoß. Das Kindlein aus London, Isle of Dogs, mochte zwar nicht mit absoluter Sicherheit zwischen einer Vagina und einem Schließmuskel unterscheiden können, obwohl Zweifel daran angebracht waren, doch was er in Consuelos Fall bevorzugte, wußte er genau. Ihre aufgrund der Entfernung und ihres Unvermögens, den Mund weit zu öffnen, wenn sie sich nicht selbst skalpieren wollte, gedämpften Schreie verhallten ungehört.
    Doch auch wenn die Familientherapeutinnen für mißbrauchte Kinder sie gehört hätten, wären sie nicht eingeschritten. Omamißbrauch fiel in eine andere Abteilung. Auf der Suche nach den Kindern, die sie beraten sollten, irrten sie ziellos umher, die Gesichter von Verzweiflung und Mitgefühl gezeichnet. Oder besser gesagt: vor Verzweiflung und Mitgefühl erstarrt. Sie waren beunruhigt. Sie hatten sich eingefunden, um sich mit Elend und Hilflosigkeit zu befassen und in noch größerem Maß ihr eigenes Elend und ihre eigene Hilflosigkeit zur Schau zu stellen. Ihre Spezialitäten hießen Grausamkeit und Sadismus, und die ließen ihnen keine Ruhe. Von Schuldgefühlen wegen Massakern und Dürren in weit entfernten Ländern durchdrungen, beruhigten sie ihr unnützes Gewissen, indem sie unnütze Dinge taten. Und die Gesellschaft für alles verantwortlich machten. Oder Gott. Oder Männer und Eltern, die ihre Kinder liebten und dazu erzogen, höflich und zuvorkommend zu sein und in der

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