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Ein Dicker Hund.

Ein Dicker Hund.

Titel: Ein Dicker Hund. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Sharpe
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nämlich fünfunddreißig besoffene Iren ohne ersichtlichen Grund um ihn und um ihn herum prügelten. Am Ende rettete ihn die Polizei, die ihn irrtümlich für einen unbeteiligten Zuschauer hielt und schnell ins Krankenhaus brachte. Als Miss Midden ihn dort schließlich fand, hatte er mehrere Stiche über seinem grün und blau geschlagenen rechten Auge. Damit war ihre letzte Hoffnung verflogen, das Wochenende im Balcarry Bay Hotel fortzusetzen. Kein anständiges Hotel hätte den Major aufgenommen. Seine Hose war zerrissen, und er hatte seinen Hemdkragen und einen Schuh verloren. Die Ärztin auf der Unfallstation hatte keinerlei Mitleid gezeigt. Sie war das gesamte Wochenende im Dienst gewesen und auf Leute wie Major MacPhee überhaupt nicht gut zu sprechen.
    »Sie haben großes Glück, daß Sie noch am Leben sind«, sagte sie zu ihm. »Und wenn man Sie das nächstemal in einem derartigen Zustand hier einliefert, werde ich eine psychologische Untersuchung erwägen. Auf den Straßen dieser Stadt laufen viel zuviele durchgedrehte Säufer herum.«
    Miss Midden war ganz ihrer Meinung.
    Als sie aus der Stadt hinausfuhren, ließ Miss Midden ihrem Zorn freien Lauf.
    »Sie sind wirklich ein ausgesprochen gräßlicher Mensch«, sagte sie. »Und verrückt. Sie haben mir das Wochenende verdorben, indem Sie sich aufgeführt haben wie ... wie, na, wie die Sorte Mensch, der Sie nun mal sind.«
    »Es tut mir wirklich leid, Ehrenwort«, winselte der Major.
    »Aber sobald ich mich in einer Bar befinde – oder besser noch, in einer richtigen Kneipe –, überfällt mich so ein schreckliches Verlangen.«
    »Wir alle haben schreckliche Verlangen«, sagte Miss Midden. »Ich habe in diesem Augenblick eins und würde dem sehr gern nachgeben, wenn ich nicht wüßte, daß Ihnen das ein gewisses perverses Vergnügen bereitete. Sie leiden offenkundig unter einem Todeswunsch.«
    »Das ist es nicht«, sagte der Major durch seine geschwollenen Lippen. »Das Verlangen überkommt mich ganz plötzlich. Eben stehe ich noch da, einen Fuß auf der Fußleiste, einen kleinen dreifachen Maltwhisky in der Hand und irgendeinen netten Menschen neben mir, und urplötzlich überkommt mich der unwiderstehliche Drang, auf den größten Rüpel weit und breit zuzugehen und ihm zu sagen, er solle die Fresse halten. Oder irgendwas, das ihn zum Nachdenken bringt. Es ist phantastisch mitzuerleben, wie ein wirklich starker, kräftiger Schläger zum Leben erwacht. Sein Gesichtsausdruck totaler Verblüffung, zunehmender Glanz in seinen Augen, wie er die Fäuste ballt und für den Schlag die Schultern vorschiebt. Bestimmt habe ich mehr richtig große Männer Schläge austeilen sehen als die Hälfte der Berufsboxer weltweit.«
    »Und was haben Sie davon? Es ist ein Wunder, daß Sie keinen Hirnschaden haben. Wenn Sie ein Gehirn hätten, das Schaden nehmen könnte.«
    Eine Zeitlang fuhren sie schweigend weiter, Miss Midden in die Überlegung vertieft, wie merkwürdig es war, daß sie Middenhall mit seinen eigenartigen Bewohnern übernommen hatte, und der Major schmollte wegen etwas anderem. Kaum hatten sie die Grenze überquert, als Major MacPhee auch schon einschlief, und Miss Midden grübelte beim Fahren weiter über ihre seltsamen Lebensumstände nach. Zunächst einmal fand sie sich trotz seiner gelegentlichen Ausbrüche immer noch mit dem erbärmlichen Major ab. Er machte sich auf dem Gut nützlich und arbeitete im Haus mit. Außerdem war er ein recht guter Koch, wenn auch nicht so gut, wie er behauptete. Und seine masochistischen Zechtouren in Glasgow gehörten wohl zu der nötigen Tarnung, mit der er seine Feigheit kaschierte. Er war wirklich ein äußerst verabscheuungswürdiges Geschöpf. Aber, und in Miss Middens Augen war es ein wichtiges »aber«, er wienerte tagtäglich seine festen, kleinen Halbschühchen und achtete so peinlich genau auf sein Aussehen, daß er sogar eine Weste trug und mit einer Taschenuhr herumlief. Daß sie aus Silber war, während die Kette über seinem Bauch golden glänzte, rührte Miss Midden. Ja, was sein Aussehen betraf, war er sehr pingelig, er pflegte seinen kleinen Schnurrbart und färbte sich heimlich die Haare. Sogar seine Anzüge waren so gut, wie er es sich leisten konnte, und damit sie wie maßgeschneidert aussahen, hatte er sich angewöhnt, sie an der Taille enger zu machen. Miss Midden hielt das für eine nützliche Marotte. Der Major mußte sich dem Schnitt seiner Jacketts anpassen, folglich aß er sehr wenig. Dennoch hatte

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