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Ein Dicker Hund.

Ein Dicker Hund.

Titel: Ein Dicker Hund. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Sharpe
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die der Alte in einer Bank in Madrid deponiert hatte, mitsamt den Bankdirektoren verschwunden. Diese Nachricht und der Verdacht, daß die Treuhänder logen, bestätigten Lawrence Midden in seinem Haß auf alles Ausländische, insbesondere ausländische Bankiers. »In England hätte das nie geschehen können«, murmelte er zwei Wochen später auf seinem Totenbett. Doch es sollte noch schlimmer kommen. Als sich Großbritannien aus seinem Weltreich zurückzog, nahm »Black« Middens Vermögen ab und mit ihm die vierteljährlichen Schecks. Gleichzeitig machten Menschen überall in Afrika und Asien, die behaupteten, Middens zu sein, ihr Recht auf Kost und Logis in Middenhall geltend. Im Reisegepäck brachten sie koloniale Vorurteile und eine fordernde Arroganz mit, die im umgekehrten Verhältnis zu ihrer Armut stand. Das Haus war ein Hexenkessel aus Unzufriedenheit und hitzigen Streitereien geworden. An Sommerabenden hallten Rufe über die Veranda wie: »Boy, noch einen rosa Gin!« oder: »Von den Kaffern in Kampala sind wir verdammt viel besser bedient worden. In diesem Scheißland rührt offenbar keiner mehr einen Finger.« Was, da der fragliche »Boy« eine junge Frau aus Twixt war, die ihrer Mutter in der Küche half, wo diese als Köchin arbeitete, nicht dazu beitrug, die Qualität der Mittag- und Abendessen zu verbessern, und durchaus erklären mochte, warum eines besonders heftigen Abends eine Nacktschnecke im Coq au vin entdeckt wurde.
    Miss Middens Vater, ein sanftmütiger Mensch, der den größten Teil seines Lebens seit dem Krieg in einem Büro in Stagstead gearbeitet und an den diversen Verdauungsbeschwerden herumlaboriert hatte, die er sich während seiner Tätigkeit bei der burmesischen Eisenbahn zugezogen hatte, fand die Lage unerträglich. Laufend mußte er die Köchin und das übrige Personal beschwichtigen oder Ersatz für sie finden. Nachts lag er wach und fragte sich, ob es nicht besser wäre, seine Familie zu verlassen und sich in einer friedlicheren Gegend wie Belfast niederzulassen. Lediglich sein Pflichtgefühl hielt ihn zurück. Sein Pflichtgefühl und der Gedanke, daß die verdammten Kolonialisten, wie er sie nannte, zwangsläufig in nicht allzu ferner Zukunft sterben mußten, und zwar entweder eines natürlichen Todes oder – was wahrscheinlicher war – an einer durch eine verständlicherweise wahnsinnige Köchin hervorgerufenen Massenvergiftung. Irgendwann jedoch hatte das Haus ihn zermürbt, und als ein gebrochener Mann sah er sich schließlich aufgrund seines schlechten Gesundheitszustandes gezwungen, in eine Mietwohnung mit Meerblick nach Scarborough zu ziehen. Miss Midden war zurückgeblieben und übernahm »dieses Schlangennest«.
    Das hatte sie recht bereitwillig getan. Sie war aus härterem Holz geschnitzt als ihr sanftmütiger Vater, und es hatte ihr zutiefst mißfallen, wie er von den Leuten behandelt worden war, die er im Krieg hatte verteidigen müssen. »Diese verdammten Kolonialisten«, die Middens, die aus Fernost und Indien, aus Kenia und Rhodesien gerannt kamen, sobald ihre Bequemlichkeit bedroht war, und die in keinem Krieg gekämpft hatten, sollten jetzt bessere Manieren lernen. Oder Middenhall verlassen und Bedürftigeren Platz machen. Einige Monate nachdem sie das geworden war, was die Bewohner der Hall scherzhaft und abschätzig »Die Herrin von Middenhall« nannten, hatte Miss Midden sie gezähmt. Oder ihren Widerstand gebrochen. Nicht daß da viel zu brechen gewesen wäre, bei diesen gingetränkten Geschöpfen, die Eingeborene herumkommandiert hatten, die sie »Wilde« nannten, obwohl sie selbst nie etwas für deren Bildung oder Zivilisierung getan hatten. Das gelang Miss Midden problemlos und vorsätzlich, indem sie nämlich Edgar Cunningham Midden aufs Korn nahm, der sich gern EC nennen ließ. Sie hatte einfach vorsätzlich während einer Frostperiode an dem zentral gesteuerten Heizkörper den Hebel für sein Zimmer abgebrochen, ihm die Benutzung eines elektrischen Heizgerätes verweigert sowie, um sein Unbehagen noch zu steigern, ihre Kenntnisse der komplizierten Installationen in Middenhall dazu genutzt, das heiße Wasser in seinem Bad abzustellen. Auf ECs Beschwerden hatte sie geantwortet, er sei hier nicht in Afrika. Und als er sofort ein anderes Zimmer verlangt und getönt hatte: »Und zwar unverzüglich. Laß die Dienstboten meine Sachen hintragen«, bevor er zu einem späten Frühstück nach unten stapfte, war Miss Midden diesem Verlangen nachgekommen. Als

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