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Ein Dicker Hund.

Ein Dicker Hund.

Titel: Ein Dicker Hund. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Sharpe
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laß dich nie von mir dabei erwischen, wie du sie anfaßt. Hast du das verstanden, Steward?«
    »Jawohl, Sir«, sagte MacPhee, bemüht, sich ebenfalls ein militärisches Auftreten zuzulegen. »Verstanden, Sir.«
    Er faßte sie aber doch an, und als der echte Major auf Barbados an einem durch die unerwartete Heftigkeit und das unerwünschte sexuelle Geschick einer sehr reichen Frau aus Sunningdale verursachten Herzinfarkt starb, erbte er die Schuhe. Oder er stahl sie. Er stahl auch etliche Anzüge und versteckte sie in seinem Spind. In diesem Augenblick entschied sich MacPhee für seine zukünftige Laufbahn. Er würde zur Armee gehen, sich seine eigenen Anzüge schneidern lassen und feste Halbschuhe bei Trickers kaufen. Als das Schiff in Southampton anlegte, ging MacPhee das letztemal an Land und suchte ein Rekrutierungsbüro. Er fand nur eins für die Königliche Marineinfanterie. Der zuständige Sergeant wies ihn ab. »Wenn du willst, kannst du eine ärztliche Untersuchung vornehmen lassen, Jungchen. Aber das würde ich mir an deiner Stelle sparen. Du erfüllst nicht die Norm. Jedenfalls nicht bei der Marineinfanterie. Versuch’s beim Heer«, hatte er freundlich, aber verächtlich gesagt. Das war die erste von vielen Ablehnungen gewesen. Schließlich nahm er eine Stellung als Diener bei einer alten Soldatenfamilie an und prägte sich drei Jahre lang ein, wie Offiziere sprachen und sich benahmen. Er eignete sich die Redeweise an und hörte Geschichten, die er weitererzählen konnte, als wären sie seine eigenen. Der Zwang, Offizier zu werden, und sei es auch nur in seinem eigenen Bewußtsein, wurde zur fixen Idee. Äußerlich war er unterwürfig, doch innerlich übte er das selbstsichere Auftreten und probte die Arroganz des Militärs.
    MacPhee war raffiniert genug, um zu wissen, daß er sich keinen zu hohen Rang zulegen durfte, Major genügte durchaus, und daß er unter älteren Menschen und vornehmen Leuten leben mußte, die sich hüteten, zu neugierig zu sein. Auf all das achtete er im Haus des Obersten, wo gelegentlich irgendein alter Angehöriger der indischen Armee Mrs. Longstead »Memsahib« nannte und man Offiziere der unteren Ränge nicht ermunterte, ungefragt ihre Ansichten vorzutragen. Und die ganze Zeit über kochte der echte Willy MacPhee vor Neid und machte nur ganz selten mal eine Sauftour in London oder Portsmouth. Doch das war schon lange her. Mittlerweile war er durch das Land gezogen, von einer Garnisonsstadt zur anderen, und hatte sich das Auftreten des Mannes zugelegt, der er gern gewesen wäre. Am Ende hatte er Miss Midden gefunden und war von ihr akzeptiert worden. Diese Stellung war ideal für ihn. Middenhall lag weit entfernt von jeder größeren Stadt, und die aus Übersee gekommenen Middens waren zu alt oder zu egoistisch und, genau wie er, zu sehr von Miss Midden abhängig, um sich mehr als nur oberflächlich für die Vergangenheit des »Majors« zu interessieren. Und bis zu diesem Wochenende hatte ihn Miss Midden akzeptiert, ohne zu deutlich durchblicken zu lassen, daß sie seine Tarnung durchschaute.
    Doch jetzt war es anders, und er hatte Angst. Mit peinlicher Sorgfalt entkleidete er sich, zog seinen Schlafanzug an, stieg in sein schmales Bett und fragte sich, wie er ihr Wohlwollen gewinnen konnte. Außerdem überlegte er, wenn auch nur kurz, wo der Gestank von Hundescheiße herkam. Gleich darauf schlief er ein. Zwanzig Zentimeter unter ihm schlief die Ursache des Gestanks weiter. Valium, Whisky und der restliche »Krötenstoff« machten Timothy Bright immer noch bewußtlos. Erst im Morgengrauen rührte er sich ein wenig und schnarchte kurz. Für Major MacPhee, den das Geräusch geweckt hatte, war dieses Schnarchen ein Zeichen dafür, daß er noch lange nicht wohlauf war. Nicht allein seine Verletzungen bereiteten ihm Sorge. Offenbar hatte auch sein Gehör gelitten. Er tröstete sich mit dem Gedanken, daß er sich das soeben Gehörte bestimmt nur eingebildet hatte oder sogar von seinem eigenen Schnarchen geweckt worden war. Vorsichtig drehte er sich um und schlief weiter. Um sieben wachte er erneut auf, diesmal weil seine Blase voll war. Er stand auf und humpelte in sein kleines Bad. Als er zurückkam und sich schwer auf das Bett sinken ließ, dachte er zuerst, mit der Matratze stimme etwas nicht. Sie war zwar nicht dick, aber einen harten Knubbel hatte sie noch nie gehabt. Im nächsten Moment war er absolut sicher, daß sein Hirn – wie Miss Midden unterstellt hatte – geschädigt

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