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Ein Dicker Hund.

Ein Dicker Hund.

Titel: Ein Dicker Hund. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Sharpe
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Edgar Cunningham Midden von seinem Morgenspaziergang zurückkam, war ihm ein sehr kleines Zimmerchen über der Küche angewiesen worden, in dem früher der Mann gehaust hatte, der sich um den Zentralheizungskessel gekümmert hatte, der nachts befeuert werden mußte. Ein Bad gab es nicht, und aus dem Fenster hatte man einen nicht gerade erbaulichen Blick auf den Hinterhof und die Mülleimer. Natürlich war EC in die Luft gegangen und hatte sein altes Zimmer zurückverlangt. Miss Midden sagte, das habe sie bereits Mrs. Devizes zugewiesen, die soeben dorthin umziehe.
    »Ihr altes Zimmer hat ihr nicht gefallen, darum habe ich ihr deins gegeben«, sagte sie. »Wenn du es zurückhaben willst, solltest du mit ihr sprechen.«
    Das war das allerletzte, was EC vorhatte. Er verabscheute Mrs. Devizes, eine angeheiratete Midden, und hatte sie schon öffentlich »diese Erbschleicherin« genannt. Statt dessen hatte er vorgeschlagen, in ihr altes Zimmer zu ziehen, worauf er zur Antwort bekam, das werde gerade renoviert. Nach einer Woche, während der ihn der Küchenlärm direkt unter ihm wach gehalten hatte – Major MacPhee hatte die Anweisung erhalten, die Nächte dort zu verbringen und alle Viertelstunde etliche große Töpfe fallen zu lassen –, verließ der alte Rüpel in einem zerbeulten Taxi Middenhall. Miss Midden stand zum Abschied mit verschränkten Armen auf der Veranda. Dann hatte sie sich zu den anderen Gästen umgedreht und gefragt, ob noch jemand abreisen wolle, denn dies sei der richtige Zeitpunkt dazu. »Ich werde keinesfalls hinnehmen, daß das Personal unhöflich behandelt wird«, sagte sie und schlug dabei mit der Peitsche gegen ihre Reithose. Sie hatte ihren Standpunkt unmißverständlich klargemacht. Die Gast-Middens hatten von nun an Köchin und Putzfrauen mit ausgesuchter Höflichkeit behandelt und ihre Streitereien untereinander ausgetragen. Als Miss Midden jetzt zum Bauernhof zurückfuhr, war ihre Stimmung am Tiefpunkt angelangt. Wegen ihrer eigenen erbärmlichen Gefühlsduselei waren ihre Wochenendpläne durchkreuzt worden. So sah sie es jedenfalls. Sie hatte schon vom allerersten Tag an mit dem erbärmlichen Major Mitleid gehabt, als sie ihm auf dem Busbahnhof in Tween begegnet war, wohin er aufgrund einer Anzeige von ihr in der Zeitschrift »The Lady« gekommen war, in der sie eine »Stellung für einen handwerklich versierten Mann« angeboten hatte. Wie er in seinen gewienerten Schühchen, dem Regimentsschlips und einem alten Regenmantel über dem Arm so dastand, war er offenkundig weder handwerklich versiert noch besonders männlich, so daß Miss Midden ihm beinahe spontan gesagt hätte, er solle es vergessen. Statt dessen schnappte sie sich einen seiner alten Koffer, den sie nach hinten in den Humber lud, und sagte dem Major, er solle einsteigen. Diese spontane Reaktion war ihr selbst immer unerklärlich geblieben. Der Major war so oft abgewiesen worden, daß man seine Erwartung förmlich mit Händen greifen konnte. Unter anderen Umständen hätte Miss Midden auf ihren gesunden Menschenverstand gehört, doch für den gesunden Menschenverstand war der Busbahnhof von Tween zu trostlos.
    »Irgendwie wird er’s schon machen«, hatte sie im stillen gedacht, als sie an diesem ersten Nachmittag weggefahren waren, obwohl es eine unbekannte Größe war, was jemand wie der Major machen konnte. Wahrscheinlich alles vermasseln, woran er sich versuchte. Und ihr fünf Jahre später ein Wochenende verderben.
    »Eines Tages, eines Tages«, sagte sie laut, um ihn zu wecken, als sie auf den Hof hinter dem alten Bauernhaus fuhren. Es war ein Ausdruck der Hoffnung und immer mehr auch eine Absichtserklärung. Eines Tages würde sie eine sich plötzlich bietende Gelegenheit ergreifen und aus dem Verwandtenkreis, der Hausarbeit, dem Anderer-Leute-Leben-Ordnen ausbrechen und... was finden? Nicht das Glück. Sie war nicht dumm genug, um diesem Trugbild hinterherzujagen, so wie sie auch keinen Augenblick lang geglaubt hatte, Heirat und eine Familie seien die Antwort. Dafür hatte sie zu lange mit ihren Verwandten zusammengelebt. Die meisten Morde wurden an Familienmitgliedern verübt. Außerdem gab sich Miss Midden kaum Illusionen hin, was ihre Person betraf. Sie war keine schöne Frau. Sie war zu untersetzt und muskulös, um wenigstens attraktiv genannt zu werden. Außer von einem gewissen Typ Mann. Wenn wieder einmal das Miasma von Major MacPhees sexuellen Phantasien in die Atmosphäre trat, kam ihr gelegentlich der

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