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Ein Dicker Hund.

Ein Dicker Hund.

Titel: Ein Dicker Hund. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Sharpe
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winziges Hirn an. Es war zwar beruhigend, daß ihr Tante Bea immer wieder einiges erklärte, aber manchmal begriff sie nicht, was sie ihr sagen wollte. »Die ganze Geschichte kam mir merkwürdig vor«, bekannte sie. »Ich hab schließlich noch nie zuvor einen jungen Mann in meinem Bett gefunden. Und er sah wirklich recht gut aus, wenn man sich das Blut einmal wegdachte.«
    Tantchen Bea mußte sehr an sich halten. »Nein, Liebes, ich meinte doch ... kam es dir nicht ausgesprochen seltsam vor, daß er so schnell entkommen konnte, obwohl du doch geholfen hattest, ihn fest zu verschnüren?«
    »Ja, da hast du wohl recht«, gab Lady Vy zu. »Wo ihn Arnold auch noch mit Beruhigungsmitteln vollgepumpt hat, damit er ruhig blieb.«
    »Ja, natürlich. Arnold hat gesagt, er habe ihn mit Beruhigungsmitteln vollgepumpt. Arnold hat dieses gesagt, und Arnold hat jenes gesagt, aber ganz sicher weißt du nur, daß du ihm geholfen hast, den Mann zu verschnüren, und daß der weg war, als du am nächsten Tag nachsehen wolltest. Was für ein wundersames Ereignis, nicht wahr? Jedenfalls wäre es das gewesen, wenn Arnold ihn nicht eigenhändig losgebunden und ihm geholfen hätte, zu entkommen.«
    »Aber warum hätte er das tun sollen?« fragte Vy, die bei ihrem Versuch, das Geheimnis zu ergründen, immer noch im dunkeln tappte.
    »Weil, Liebste, weil es sich bei der ganzen Geschichte um einen raffinierten Plan handelt, um sicherzustellen, daß du Arnold nicht irgendwann später mal verläßt und ihm Schwierigkeiten machst.«
    »Aber warum sollte ich ...«, setzte Vy an, ehe sie selbst zu einem Schluß kam. »O Bea, du denkst doch nicht wirklich ...?« Diese Frage war absolut überflüssig. Tante Bea dachte nämlich sehr intensiv nach. Für die Abfolge eigenartiger Ereignisse, die sich zugetragen hatten, hatte sie bereits eine rationale Erklärung ausgetüfftelt. Und die ließ nur einen Schluß zu: Sie mußte Vy dem unheilvollen Einfluß ihres Mannes entziehen. Falls vor dem letzten Wochenende in dieser Hinsicht noch irgendwelche Zweifel bestanden hatten – und dem war nicht so –, so war sie sich nun sicher, daß sie Vy vor einem Mann rettete, der bereit war, jedes Verbrechen zu begehen, um seine schändlichen Ziele zu erreichen. Daß Sir Arnold sie in die Leistengegend gebissen hatte, war keineswegs dazu angetan, ihn für Bea in irgendeiner Weise sympathischer zu machen, und jetzt besaß sie die erforderlichen Beweise, um ihn zur Strecke zu bringen. Und zugleich würde sie Vy beschützen. Sie stand auf und nahm Lady Vy bei der Hand.
    »Mein Liebling, geh bitte nach oben und pack deine Sachen. Und ich will keine Widerworte hören. Ich kümmere mich um alles. Tu einfach, was ich dir sage.«
    »Aber, Bea Liebling. Ich kann doch nicht einfach abreisen ...«
    »Du reist nicht ab, Liebes. Du begleitest mich heute lediglich nach London. Keine Diskussion. Wir werden deinen Vater aufsuchen.«
    Und mit diesem zweifelhaften Trost – eigentlich konnte sie auf einen Besuch bei Sir Edward Gillmott-Gwyre recht gut verzichten – ging Lady Vy nach oben ins Schlafzimmer, um zu packen.
    »Trotzdem muß ich Arnold ein paar Zeilen dalassen«, dachte sie und schrieb ein kurzes Briefchen des Inhalts, sie habe nach London fahren müssen, um Daddy zu besuchen, weil der unpäßlich sei, und sie sei in ein paar Tagen wieder zurück. »Nun komm schon, Vy Liebes«, rief Tantchen Bea. Gehorsam ging Lady Vy nach unten und legte das Briefchen auf den Tisch neben der Haustür. Dort sah es Tante Bea, öffnete den Umschlag, las es und steckte es unauffällig in ihre Handtasche. Sollte Sir Arnold ruhig krank werden vor Sorge. Und Vy würde nicht zurückkommen, es gab also keinen Grund, ihn zu täuschen. Mit diesem angenehm moralischen Gedanken ging sie zum Mercedes, und kurz darauf waren sie Richtung Süden unterwegs. Als der Chief Constable den Land Rover in der Garage abstellte, hatten sie schon den halben Weg nach London hinter sich.

17
    An diesem Abend schafften sie den nur mit einem Badetuch bekleideten Timothy Bright in das alte Kinderzimmer rauf, dessen Fenster mit massiven Gitterstäben versehen war. Der Begriff »Kinderzimmer« war ein Euphemismus. Die Gitterstäbe waren massiv und die Tür dick, weil im späten achtzehnten Jahrhundert einer von Miss Middens Vorfahren, ein gewisser Elias Midden – einem ebenso ausgefallenen Impuls folgend wie »Black« Midden, als der sein heimisches Mausoleum errichtet hatte –, von ein paar Zigeunern auf dem Rummel in

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