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Ein dickes Fell

Titel: Ein dickes Fell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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Eskalation käme.
    »Zu welchem Zweck?« fragte Anna.
    Cheng spekulierte, daß Smolek sich vielleicht nicht nur den Tod eines österreichischen Komponisten wünsche, sondern auch den Annas.
    »Oder den Ihren«, erwiderte Anna Gemini.
    »Oder den meinen, sehr richtig. Wenn Herr Smolek denn wirklich ein kleiner Gott ist, bereitet es ihm sicher Vergnügen, wenn alles und jeder in die Luft fliegt. Wollen wir ihm wirklich die Freude machen?«
    »Nein!«
    Es war nicht die unschlüssige Anna Gemini, von der die leidenschaftliche Verneinung stammte, sondern Apostolo Janota, der seine offenen Handflächen leicht anhob und erklärte, eine Waffe bei sich zu tragen. Eine Pistole, die rückseitig in seiner Hose stecke. Eigentlich habe er vorgehabt, demnächst danach zu greifen, um wenigstens zu versuchen, seiner Hinrichtung zuvorzukommen. Jetzt aber …
    Janota erzählte von dem Telefonanruf, der ihn überhaupt erst dazu animiert hatte, so kindisch zu sein, sich ein derartiges Ding zwischen die Pobacken zu klemmen.
    »Geben Sie her!« ordnete Anna an.
    »Damit Sie mich dann erst recht erschießen?«
    »Am ehesten erschieße ich Sie, wenn Sie Ihre Waffe zu behalten versuchen.«
    »Sie sind eine schlechte Schützin«, erklärte Janota trotzig.
    »Das kann man sehen.«
    Anna legte den Schalldämpfer ihrer Waffe direkt an Janotas Stirn an und meinte: »Denken Sie wirklich, ich könnte Sie jetzt noch verfehlen?«
    »Wenn es Sie glücklich macht.« Janota griff mit einer Hand hinter sich.
    »Langsam«, bat Anna.
    »Alles, wie Sie es wünschen, gnädige Frau«, sagte Janota mit dem Lächeln einer Ameise, zog den Pistolenkörper bedächtig aus seiner Hose und hinter dem Jackett hervor.
    Anna nahm ihm die Waffe ab. Sie wirkte vollkommen unaufgeregt.
    Und auch Janota schien erleichtert. Er hatte nicht ernsthaft geglaubt, daß der Einsatz dieses Geräts ihn würde retten können. Doch was bedeutete in seinem Fall überhaupt das Wort Rettung? Er dachte bei sich: »Das alles ist ein Jux. Noch dazu ein Jux, der längst geschehen ist.«
    Anna steckte die Waffe in ihre Handtasche, ein praktisches Ding aus weißem Plastik. Weiß wie Schnee, in dem ein bißchen Sand aus der Sahara beigemischt war. Sehr raffiniert, die Farbe. Die eigene Waffe behielt sie, wo sie war, in der Hand, gegen die Stirn Janotas gepreßt.
    Cheng wandte sich an den entwaffneten Komponisten: »Und Sie glauben also, der Mann am Telefon sei Smolek gewesen.«
    »Es ist doch Ihre Theorie«, stellte Janota fest, »daß dieser Smolek mit uns spielt. Der Anrufer hat ja nicht nur verraten, daß meine Tötung geplant sei, sondern mir auch empfohlen, nicht ohne Waffe aus dem Haus zu gehen. Und als Sie nun davon sprachen, dieser Smolek könnte im Sinn haben … Es schien mir plötzlich ziemlich plausibel, was Sie da sagten.«
    »Schön«, meinte Cheng, »daß wir uns jetzt also einig sind, darauf zu verzichten, hier trottelig herumzuballern und zu tun, was einzig Herrn Smolek etwas nutzt.«
    Und an Anna Gemini gewandt: »Wir sind uns doch einig, nicht wahr?«
    »Ich bin unglücklich«, sagte Anna und erklärte, noch niemals einen Auftrag nicht erfüllt zu haben. Eine Frage des Prinzips. Zudem habe sie einen guten Ruf zu verteidigen. Vor allem aber gehe es um Moral. Denn jegliches moralische Handeln – so schwer es im einzelnen vielleicht zu begreifen sei – zeichne sich durch Konsequenz aus. Alles Beliebige hingegen sei unmoralisch. Was nütze eine gute Tat, die ohne System dastehe? Was nütze es, einen Blinden über die Straße zu führen, um ihn tags darauf in ein Auto laufen zu lassen?
    »Ach!?« staunte Janota. »Wäre es denn moralisch, mich zu erschießen?«
    »Es wäre unmoralisch, es nicht zu tun. Unmoralisch gegenüber all denen, die zuvor an der Reihe waren. Unmoralisch gegenüber einem Kunden, den ich enttäusche. Aber vor allem unmoralisch gegenüber Gott.«
    »Ich höre wohl nicht recht.«
    »Gott verachtet die, die zaudern«, erklärte Anna Gemini.
    »Und er verachtet die, die sich nach jeder Richtung hin abzusichern versuchen. Etwa Atheisten als Agnostiker. Oder Katholiken mit protestantischen Allüren. All diese Schwächlinge.«
    »Trotzdem, Frau Gemini«, setzte Cheng einen Punkt, »Sie müssen diesmal abwarten.«
    »Ich warte schon die ganz Zeit ab.«
    »Eben. Sie wissen selbst, daß mit diesem sogenannten Auftrag etwas nicht stimmt. Und daß mit Smolek etwas nicht stimmt. Ganz und gar nicht stimmt.«
    »Was schlagen Sie vor?« fragte Anna und entfernte den

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