Ein dickes Fell
auf das helle Parkett warfen. Dazu kam noch ein Stahlrohrsessel, auf den zu setzen sich nicht einmal die supercoolen Jungs der Reinigungsfirma wagten, die den Glanz des Bodens zu gewährleisten hatte. Obgleich dieser Glanz selbst bei schlechtestem Wetter nie wirklich in Gefahr stand. Clemens Armbruster zog es vor, seine Wohnung immer nur mit sauberem Schuhwerk zu betreten. Und achtete darauf, daß auch jeder andere danach handelte. Ohnehin waren es nur wenige Leute, die er zu sich einlud. Vor allem aber lebte er getrennt von seiner zweiten Frau, die sich jedoch weiterhin in Wien aufhielt. Statt etwa in der Hölle oder auf dem bitterkalten Pluto oder auf dem Grund des Meeres, wohin Armbruster sie gerne geschickt hätte.
Seine erste Frau hingegen, jene, mit der zusammen er eine elfjährige mongoloide Tochter hatte, war vor Jahren nach Neuseeland gezogen. Was viele gute Gründe hatte, Gründe, die Armbruster verstand. Und er zumindest in finanzieller Hinsicht seinen Teil beitrug, ja, seinen Teil finanziell ausstopfte, wenn er schon sonst außerstande gewesen war, mit der Krankheit des Kindes und der Not seiner Frau umzugehen. Etwas zu tun, das aus mehr als Ratlosigkeit bestand.
Die Ferne seines Kindes und seiner ersten Frau bekümmerten Armbruster, so wie ihn diese Ferne gleichzeitig erleichterte. Er war überzeugt, daß die beiden endlich in Sicherheit lebten, mit Strand und Strandhaus, mit Hunden und Katzen und freundlichen Nachbarn. Einer Sicherheit, wie sie in Österreich nie denkbar gewesen wäre. Selbst unter besten Bedingungen nicht. Fand Armbruster. Geradeso, als sei das prinzipielle Fehlen einer Meeresküste und damit eines Meeresstrandes und eines Strandhauses am Meer dazu angetan, ein erträgliches Leben für eine solche Frau und ein solches Kind unmöglich zu machen. Kein Glück ohne Meer.
Jedenfalls war Armbruster bemüht, diese neuseeländische Strandhausidylle zu erhalten, Banküberweisungen vorzunehmen und im übrigen jede Woche einen handgeschriebenen Brief abzusenden. Das mochte wenig sein, aber es geschah freiwillig, und wenn auch mit einem hohen Maß an Bequemlichkeit, so doch auch mit einem hohen Maß an Zuneigung.
Das war nun im Falle seiner zweiten Frau völlig anders. Freiwillig hätte Armbruster dieser Hexe, die glücklicherweise ihren Mädchennamen behalten hatte – Hiller, Lydia Hiller – nicht einmal ein Gartenhäuschen zugestanden, auch kein Häuschen von der Größe eines Schuhkartons. Von Banküberweisungen ganz zu schweigen. Und bezüglich eines Briefes, würde er sich geweigert haben, ihr auch nur eine halbe Briefmarke zu opfern. Nein, das einzige, was Armbruster zu finanzieren sich bereit erklärt hätte, wäre das Begräbnis von Lydia Hiller gewesen. Welche er übrigens nicht Lydia nannte, sondern Lyssa. Das ist griechisch und heißt Tollwut.
Allerdings war er nicht minder geneigt, sich einfach scheiden zu lassen. Das aber wollte Lydia nicht. Zumindest nicht, ohne zuvor im Stile einer Bestrafung abgesahnt zu haben. Und bestrafen wollte sie Clemens unbedingt. Immerhin hatte er sie aus jener Wohnung, deren Eingangsbereich aus einem leeren Flur, einem versteckten Schrank und einem wertvollen Stahlrohrsessel bestand, hinausgeworfen. Jawohl, hinausgeworfen. Gerade noch auf eine Weise, die gerichtlich nicht gegen Clemens Armbruster verwendet werden konnte. Denn ein Trottel war Armbruster ja nun wahrlich nicht.
Leider war aber auch Lydia Hiller kein Trottel und hatte sich einen Anwalt genommen, der – als er noch kein Anwalt gewesen war – von Armbruster aufs Kreuz gelegt worden war. Der Jurist zeigte nun keinen geringen Ehrgeiz, eine Einwilligung seiner Mandantin in die Scheidung nur unter Armbrusters Schmerzen zuzulassen. Weshalb sich die Sache in die Länge zog, da Armbruster wiederum sich weigerte, seine albatrosartige Villa auf Madagaskar einer Frau zu überschreiben, die er gelinde gesagt für böse und abartig und gemeingefährlich hielt.
Sie geheiratet zu haben, war mehr als ein Fehler und Irrtum gewesen. Armbruster war überzeugt, daß überirdische Mächte – an die er freilich bisher nicht geglaubt hatte – diese Vermählung und vor allem die Unterzeichnung eines fatalen Ehevertrages bewirkt hatten. Denn im krassen Gegensatz dazu, war er aus seiner ersten Ehe als jemand hervorgegangen, dem die Kontrolle geblieben war. Seine Großzügigkeit war eine selbstbestimmte. Niemand konnte ihn nötigen, die neuseeländische Strandhausidylle zu bezahlen. Er tat es, weil er es
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