Ein dickes Fell
wäscht, braucht auch keine nasse Wäsche aufzuhängen. Wer die Scheiben zum Balkon nicht putzt, braucht auch den Balkon nicht zu putzen. Wer das Kind nicht ins Bett bringt, braucht es in der Früh auch nicht zu wecken. Und so weiter. Was noch angegangen wäre, hätte Luise nicht auf gewaschene Wäsche und geputzte Scheiben bestanden. Und darauf, daß ich als Mann mich gefälligst um das Kind kümmere. Wenn ich schon sonst nichts zu tun hätte, als dummen, kleinen Verbrechern hinterherzurennen. Während sie ja ihre Kinderbücher schrieb. Nichts gegen Kinderbücher. Aber ich habe mich oft gefragt, wie das möglich ist, daß jemand wie Luise sich die Frechheit erlaubt, Bücher für Kinder zu schreiben. Als verfasse ein Jäger Bücher für Hasen, ein Magersüchtiger einen Lokalführer.«
»Das kommt vor. Man muß nicht lieben können, um einen Liebesroman zu schreiben.«
»Scheint so. Jedenfalls hat man Luise alles abgenommen, was sie wollte, daß man ihr abnimmt. Eine prächtige Mutter zu sein, bereit, sich in jegliche pädagogische Diskussion zu mischen, andere Mütter zu beraten, Krabbelgruppen zu organisieren, später Kindergartenfeste, noch später Schulveranstaltungen, und so weiter. Kam sie nach Hause, war sie natürlich fix und fertig von der ganzen Organisiererei. Unmöglich, etwas von ihr zu verlangen. Dabei hat sie aber auch in den eigenen vier Wänden noch ihre Vorträge gehalten. Als unsere Kleine noch ein Baby war, ging es dauernd ums Windelwechseln, wie wichtig es sei, sich genügend Zeit dafür zu nehmen, in ein zärtliches Verhältnis zum Kind einzutreten, eine Massage vorzunehmen, Blickkontakt herzustellen, Ruhe, Geborgenheit und Wärme zu vermitteln, und eben jene Hektik zu vermeiden, die das bißchen Kot bei den meisten Menschen auslöst.«
»Das sagt sich so«, meinte Cheng, der immerhin die Windeln seines Hundes wechselte. Einarmig, nicht zu vergessen.
»Ja, das sagt sich so«, bestätigte Straka. »Wenn dann aber der Gestank sich auszubreiten begann, war von Luise nichts zu sehen. Sie hatte eine spezielle Gabe, sich genau dann in Luft aufzulösen, unaufschiebbare Telefonate zu führen, die Wohnung zu verlassen oder – einfachste Lösung – aufs Klo zu flüchten. Gleichzeitig war sie nie darum verlegen, mir vorzuwerfen, ich sei beim Windelwechseln viel zu rasch, geradezu gefühllos, und würde damit mich selbst, wie auch das Kind, um ein tiefes Einverständnis bringen. Nun, da hat sie recht gehabt, einverstanden war ich nie.«
»Das klingt jetzt aber«, meinte Cheng, »als seien in Wirklichkeit Sie es gewesen, der das Kind aufgezogen hat?«
»Das kann man wohl sagen. Zusammen mit meiner Mutter und meiner Schwiegermutter, die das alles stillschweigend hingenommen haben. Die beiden Frauen taten, was sie für ihre Pflicht hielten. Luises Arbeit erledigen. Von dem Moment an, da Luise schwanger wurde. So ist das. Es gibt Frauen, die mit dem Beginn ihrer Schwangerschaft eine Diktatur errichten.«
»Wie? Sie meinen, die Diktatur resultiere aus der Schwangerschaft.«
»Schwangere Frauen erkennen augenblicklich ihre Macht. Mit Macht kann man freilich so oder so umgehen.«
»Wie alt ist Ihre Tochter jetzt?« fragte Cheng, während er die gedünsteten Champignons auf seinem Salat feindselig betrachtete.
»Zwei Jahre älter als meine jetzige Frau. Die beiden verstehen sich. Und das ist überhaupt das Beste. Denn Luise hat gedacht, sie könnte die unbedingte Loyalität ihrer Tochter einfordern. Aber da lag sie völlig falsch. Was mir eine Höllenfreude bereitet. Gott, ich geniere mich, aber es tut nun mal gut, mir Luises Wut vorzustellen. Mir ihre hysterischen Anfälle auszumalen, die jetzt ein anderer zu spüren bekommt.«
»Weiß Ihre neue Frau über all das Bescheid?«
»Das tut sie. Und wie es scheint, kann sie damit leben. Wenngleich ich nicht beurteilen kann, was genau sie vorhat.«
»Muß sie denn etwas vorhaben?« fragte Cheng und verteilte gleich einem eßunwilligen Kind die Pilze entlang des Tellerrands.
»Entgegen dümmlicher Vorurteile oder auch absichtlich herbeigeführter Irrtümer«, referierte Straka, »sind Frauen keine Bauchmenschen, sondern Kopfmenschen. Planende Charaktere. Viel eher Technokraten als die technokratischen Hampelmänner es je sein werden. Das, Cheng, müßten Sie selbst am besten wissen. Frauen sind modern. Auch wenn sie auf sensibel machen, wissen sie, warum und wozu. Darin steckt eine vollkommen andere Qualität. Wir Männer mögen als die Handelnden
Weitere Kostenlose Bücher