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Ein dickes Fell

Titel: Ein dickes Fell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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Schicksals zur Kenntnis nehmend.
    Aber das Schicksal war natürlich, wie man so sagt, ein Schlawiner. Es läutete an der Türe, das Schicksal. Es läutete in praxi. Und somit auch die Person, die eine solche Glocke zu drücken imstande war.
    Als Armbruster öffnete und Lyssa erblickte, zuckte er zusammen. Lyssa hingegen lächelte wie über einen gelungenen Trick ihrerseits und marschierte an ihrem Noch-Gatten vorbei in den Flur, schleuderte ihren Pelzmantel auf den Stahlrohrsessel, als werfe sie eine Perserkatze achtlos in den Müll, und wechselte sodann in den Wohnraum, wo sie sich eine Zigarette anzündete.
    Armbruster beeilte sich, einen Aschenbecher herbeizutragen. Er kannte die Unart seiner Frau, Asche zu verstreuen, wenn denn kein Behälter in unmittelbarer Nähe plaziert war. Da konnte ein Parkettboden noch so flehend glänzen.
    Lyssa Hiller war nicht einmal eine hübsche Frau. Eine Derbheit lag in ihrem Gesicht wie vergessenes Gemüse in einem Gefrierfach. Sie hatte eine auffallend gebogene Nase, kalte Augen und sprödes Haar. Dennoch imponierte diese Frau, eben, weil sie zwar ein erkennbar teures Kostüm trug, ihre Nase und ihr Haar jedoch ließ, wie sie waren. Als sei es lächerlich, Gott und der Natur zu widersprechen, indem man sich die Nase begradigen ließ. Gleich einem Kind, das zurückredet, ohne wirklich eine Ahnung von der Gefährlichkeit von Steckdosen und Küchengeräten zu besitzen.
    Lyssa Hiller stand in der Mitte des Raums und rauchte. Armbruster zog ein Beistelltischchen herbei, auf das er den Aschenbecher setzte und darauf aufmerksam machte, daß sich in weniger als einer Armlänge Entfernung ein Gefäß zur Aufnahme der Asche und der Kippe befinde.
    Lyssa betrachtete den Aschenbecher und sodann ihren Mann mit der gleichen Verachtung und fragte: »Schon gehört?«
    Armbruster wies zum Fernseher hin, den er beim Erklingen der Türglocke mit der Eile eines ertappten Erotikers abgeschalten hatte, und bestätigte: »Schon gehört.«
    »Ärgert dich, gell?« meinte Lyssa, in deren Lächeln bereits der Anflug willkommenen Fiebers steckte.
    »Was denn?« fragte Armbruster. »Was soll mich ärgern?«
    »Hör auf, dich zu verstellen. Du hast doch sicher gehofft, ich würde da unter den Ziegeln liegen. Zerquetscht wie eine Laus. Deshalb bin ich auch gleich vorbeigekommen, damit du dich gar nicht erst räkeln kannst in deiner warmen Hoffnung auf Erlösung.«
    »Stimmt, Lyssa. Es wäre eine dumme Illusion, zu glauben, ich könnte von dir verschont bleiben.«
    »Nenn mich nicht Lyssa, du Schwein! Würde mich nicht wundern, wenn du mit der Explosion was zu tun hast. Typisch für einen Makler. Wenn man legal nicht weiterkommt, dann halt so. Für euch Typen gibt’s keine Verbrechen, nur Geschäfte.«
    »Meine Güte!« verlor Armbruster seine bemühte Haltung.
    »Da liegen wahrscheinlich ein paar Dutzend Menschen unter den Trümmern, und du denkst …«
    »Du hast recht. Zuviel Bösartigkeit darf ich dir auch nicht zutrauen. Das würde dir ja fast schon wieder ein Profil verleihen.«
    »Wie du willst«, resignierte Armbruster und stierte auf die Zigarette, mit der Lyssa herumfächelte. Dann fragte er, ohne daß ein Hintergedanke im Spiel gewesen wäre, ob Lyssa …
    »Nenn mich nicht Lyssa!«
    … ob Lyssa bereits die Polizei darüber informiert habe, am Leben zu sein.
    »Habe ich nicht, du Schwein«, sagte Lyssa, »ich war die letzte im Büro, als ich im Radio davon hörte. Und da wollte ich sofort zu dir. So wichtig war mir das, daß du mich so rasch als möglich lebend zu Gesicht bekommst. Ich sterbe dir nicht weg, mein Lieber, sicher nicht. Obwohl du dir jetzt wahrscheinlich überlegst, daß das eigentlich eine gute Gelegenheit wäre.«
    »Was wäre eine gute Gelegenheit?« fragte Armbruster müde.
    »Tu nicht so. Ich sehe doch, wie es in deinem Schweinehirn arbeitet. Ich bin direkt von der Arbeit hierher. Niemand hat mich gesehen. Na gut, mein Wagen steht vor der Türe. Aber was soll’s? Wenn du mir jetzt den Schädel einschlägst und dann versuchst, mich irgendwie in diesen Schutthaufen hineinzubekommen, brauchst du ohnehin ein Auto für den Transport. Ein Auto, das du dann günstigerweise dort stehen lassen kannst, wo es auch hingehört.«
    »Du bist verrückt. Nichts davon habe ich gedacht.«
    »Gedacht sehr wohl«, insistierte Lyssa. Und fügte an: »Bloß fehlt dir der Schneid zu so was. Du bist wie diese Perversen, die sich am Telefon einen runterholen, aber das Schlottern kriegen, wenn sie einer

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