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Ein dickes Fell

Titel: Ein dickes Fell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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Frau aus Fleisch und Blut gegenüberstehen.«
    »Ich glaube nicht, daß ich schlottere«, sagte Armbruster ruhig. So ruhig er halt konnte.
    »Na, jedenfalls wirst du mir nichts tun«, lachte Lyssa. Sie lachte wie einer dieser klappernden Kochtöpfe. Als sie fertig gelacht hatte, ergänzte sie: »Aber es spukt herum in deinem kleinen Schweineköpfchen. Es spukt ganz toll.«
    »Nichts spukt«, sagte Armbruster. Und bis zu diesem Moment entsprach das auch der Wahrheit. Der Gedanke, Lyssa zu ermorden, war ihm in keiner Sekunde gekommen. Zudem hatte er die recht idealen Umstände übersehen. Wie denn auch, wenn er nicht an Mord dachte? Erst Lyssas rückhaltlose Offenlegung der Möglichkeiten, daß nämlich ein zertrümmerter Schädel nicht weiter auffiel, wenn man ihn zwischen den Überresten eines eingestürzten Hauses fand, verführte Armbruster nun dazu, eine solche Option zu bedenken. Obgleich das natürlich Wahnsinn war und dieser Wahnsinn bezeichnenderweise Lyssas Ideenwelt entstammte. Zudem stellte sich die Frage, wie es möglich sein sollte, eine Leiche in einen von Polizei und Feuerwehr abgeriegelten Katastrophenort hineinzuschmuggeln. Denn eine solche Leiche einfach verschwinden zu lassen, in der Hoffnung, die Polizei würde sich damit begnügen, einen der Verunglückten nicht gefunden zu haben, verbot sich als unsinnig.
    Doch reizvoll war die Vorstellung durchaus zu nennen. Armbruster verspürte eine Erregung, wie man spürt, gestreichelt zu werden, ohne aber zu wissen, wer einen da streichelt. Ein Geist? Eine Fee? Ein Traum, der lebt?
    »Wenn ich du wäre«, posaunte Lyssa, »würde ich keine Sekunde zögern.«
    »Das sagt sich so leicht«, meinte Armbruster, »außerdem wüßte ich nicht einmal, womit ich dich erschlagen soll. In vergleichbaren Situationen steht irgendein Kerzenständer herum, oder ein Golfschläger, ein Pokal, was weiß ich, irgend so ein lächerliches, immer ein wenig englisch anmutendes Ding, das massiv genug ist …«
    »Du hat ja alles Englische aus der Wohnung werfen müssen«, erinnerte Lyssa.
    »Ich wollte nicht ersticken.«
    »Papperlapapp, du kleinmütiger Arsch. Nimm doch den
Aschenbecher«, sagte Lyssa und zeigte auf den tatsächlich einzigen Gegenstand im Raum, der die richtige Größe und Schwere besaß, um die Zertrümmerung eines Schädels ernsthaft in Betracht ziehen zu können. Sodann kehrte sie ihrem Mann den Rücken zu. Und indem sie dies tat, vergrößerte sich die Distanz zum Aschenbecher und damit die Möglichkeit, durch alleiniges Ausstrecken des Armes die Asche in die Schale aus Bleikristall zu befördern. Was Lyssa Hiller auch gar nicht erst versuchte, sondern mit beifälliger Geste die Asche ihrer zweiten Zigarette abklopfte und zu Boden fallen ließ.
    Das war der Moment, da Lyssa einen Punkt überschritt. Ohne es zu ahnen, denn sie hatte diesen Punkt in weiter Ferne geglaubt. War überzeugt gewesen, den Parkettboden ihres Mannes straflos verunreinigen zu können und solcherart bloß das übliche Lamento herauszufordern, was für ein schrecklicher Mensch sie sei und daß er, Armbruster, lieber seine madagassische Albatrosvilla niederreißen lassen würde, als ihr das Haus zu überlassen.
    Aber der Punkt war nun mal da. Und er wurde nicht zuletzt dadurch manifest, daß Armbruster neben dem Anspruch, seinen Parkettboden zu schützen, auch beschloß, die geliebte Albatrosvilla nicht nur nicht niederzureißen, sondern ebensowenig an Lyssa abtreten zu wollen. Weshalb also …
    Armbruster griff nach dem Aschenbecher. Kalt und schwer. Kalt und schwer wie eine versteinerte Urschnecke.
    Armbruster leerte die Asche und die eine zerdrückte Kippe auf die spiegelnde Fläche des Beistelltischchens. Dann hob er den geschliffenen Glasbrocken in die Höhe.
     
    Hätte sich Lyssa jetzt umgedreht, Armbruster hätte augenblicklich den Aschenbecher abgesetzt und sein Handeln stotternd als Posse abgetan. Doch Lyssa, die Tollwütige, die so gar nicht tollwütig anmutete, drehte sich nun mal nicht um, sondern stand da, die Beine überkreuzt, rauchte und war restlos zufrieden mit sich.
    Das war dann auch das Allerletzte, was sie in ihrem Leben spürte, diese Zufriedenheit. Diese völlig unangebrachte Zufriedenheit, wie gesagt werden muß. Was danach kam, hatte mit Spüren nichts mehr zu tun. Die Wucht des niedersausenden Aschenbechers führte mit dem ersten und letzten Einschlag zu einer erheblichen Fraktur, anders gesagt zu einem Loch, aus dem umgehend der Odem entwich. Lyssa Hiller war

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