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Ein dickes Fell

Titel: Ein dickes Fell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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feucht.
    »Schwer zu sagen«, antwortete Cheng, während er mit seinen dünnwandigen, tatsächlich ein wenig ungünstigen Halbschuhen am Stand trat, als wollte er den vergangenen Frühling aus dem Boden klopfen. »Alles sehr dubios. Sie haben ja sicher schon gehört, daß Smolek an einer Überdosis 4711 starb.«
    »Ein Parfum«, sagte Dalgard, wie man sagt: Ein Erzengel. Oder: Ein Erzbösewicht.
    »Eau de Cologne«, berichtigte Cheng und erklärte, daß Kurt Smolek mit Sicherheit nicht freiwillig aus dem Leben geschieden sei. Auch nicht im Zuge eines gewollten Experiments, um etwa eine Erkenntnis um die geheimen Ingredienzen von Echt Kölnisch Wasser zu erringen. »Er wurde mit Gewalt gezwungen, das Zeug zu schlucken.«
    »Das hört sich an«, meinte Dalgard, dessen Wörter als kleine Wolken seinen Mund verließen, »als wollte uns jemand glauben lassen, es habe sich um eine private Sache gehandelt. Na, das werden wir aber nicht glauben, nicht wahr?«
    Cheng hob ein wenig die Schultern an und glitt tiefer in seinen Mantel. Wobei er Mäntel so wenig ausstehen konnte wie Winterschuhe. Als sitze man in einem Schneckenhaus, geschützt, mag sein, aber auch ziemlich unbeweglich.
    Es war gesagt worden, daß Cheng dem Winter mit Abneigung gegenüberstand. Einer seltsamen Abneigung freilich, so wie man sie gegen Menschen hegt, die man nicht leiden kann und ihnen dennoch Jahr für Jahr zum Geburtstag gratuliert, als Taufpate ihrer Kinder fungiert, für sie bürgt, und immer wieder feststellt, daß sie das alles absolut nicht verdienen. Im Gegenteil. Daß ihnen ein Tritt in den Hintern zusteht. Doch nächstes Jahr gratuliert man diesen ungeliebten Leuten erneut zum Geburtstag, gibt sich erneut als Taufpate ihrer Kinder und Enkel her, bürgt erneut für ihre unsinnigen Kredite und vieles mehr. Was also heißen soll, daß Markus Cheng es eigentlich hätte besser wissen und den Winter, den österreichischen oder deutschen oder welchen Winter auch immer, hätte meiden müssen. Statt dessen stand er in seinen dünnen Schühchen vierhundertfünfundzwanzig Meter über Wien und bis zu den Knien im Schnee, spürte einen bissigen Wind im Gesicht, einen Schmerz in den Ohren und ein Brennen in den Fingerkuppen, und fragte Dalgard: »Was tun Sie eigentlich hier?«
    »Na, ich bitte Sie!« tönte Dalgard. »Der Tod Smoleks gibt uns zu denken. Die Leute, für die ich arbeite und für die ja auch Sie, Herr Cheng, arbeiten – vergessen Sie das nicht! –, wollen wissen, was los ist. 4711! Wer will uns da verarschen?«
    »Ich fürchte, es geht um mehr als eine Verarschung«, sagte Cheng und berichtete von Kurt Smoleks Faible für den Golem-Mythos und die mögliche Bedeutung eines Kölner Wunderwässerchens betreffend der Belebung toter Materie.
    »Jetzt sind Sie es«, meinte Dalgard, »der mich verarscht.«
    »Keineswegs. Smolek war an dieser Sache dran. Mit großem Eifer und großer Besessenheit.«
    »Sie sprachen von diesem Jungen, diesem Skateboard-
fahrer …«
    »Die Mutter, Anna Gemini … Also, wie ich schon sagte, wir können davon ausgehen, daß sie es war, die Einar Gude liquidiert hat. Und wir können davon ausgehen, daß Anna Gemini stets für private Kunden tätig wurde. Keine Killerin also, die im Dienste irgendwelcher Staaten und Institutionen steht. Smolek war ihr Impresario. Aber nicht bei der Gude-Geschichte. Davon hat Smolek erst später erfahren. Beziehungsweise hat er die richtigen Vermutungen angestellt. Ich kann nicht sagen, ob er besorgt, verärgert oder beleidigt gewesen war, daß Frau Gemini auch ohne seine Empfehlungen ihrer Profession nachging, jedenfalls hat er versucht, sie ans Messer zu liefern. Ohne dabei selbst ins Gerede zu kommen.«
    »Das ist ihm ordentlich mißlungen«, kommentierte Ludvig Dalgard.
    »Er hat sich wohl vorgestellt, daß indem er sowohl Apostolo Janota warnt, als auch mich auf die Spur Anna Geminis setzt, es zu einer Art von Explosion kommt. Einer Explosion, nach der dann alles sehr viel ruhiger und sicherer abgelaufen wäre als zuvor. Und er selbst unantastbarer denn je gewesen wäre. Wie sich kleine Götter das halt vorstellen.«
    »Kleine Götter?«
    »Ein Terminus von Frau Gemini.«
    »Wundert mich, daß die Dame noch immer auf freiem Fuß ist.«
    »Was soll die Polizei tun? Die haben nicht wirklich was in der Hand, solange Janota schweigt.«
    »Und solange Sie schweigen.«
    »Das versteht sich von selbst«, erklärte Cheng. Und erklärte weiter: »Ich bin nicht im Sold der Exekutive. Bei

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