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Ein dickes Fell

Titel: Ein dickes Fell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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in Chengs Glücksmoment – Lena heraufgekommen, hatte die Waffe an sich genommen und auf den sie zustürzenden Gregor Pavor geschossen. Daß dasselbe Kind zuvor Cheng danach gefragt hatte, ob er vorhabe, ihre Mutter zu heiraten, ließ Cheng aus. Das war nun wirklich nichts, was die Polizei zu interessieren brauchte.
    »Meine Güte, die Kleine muß sofort psychologisch betreut werden«, erklärte Straka, der auch ohne Extra-Bitte bereit gewesen war, eine Befragung Lenas zu unterlassen. Gemäß seiner Art, auf Sinnloses zu verzichten. Etwa sich bei vergewaltigten Frauen nach ihren Gefühlen zu erkundigen. Oder Zuhältern mit Anstand zu kommen. Oder eben mit einem Kind zu reden, wenn man die Geschichte auch von einem glaubwürdigen Erwachsenen erfahren konnte.
    »Ich denke«, sagte Cheng, »die Mutter hat das in der Hand. Aber man wird sich natürlich darüber unterhalten müssen, ob und wie man dem Kind helfen kann, das zu verarbeiten. Aber nicht jetzt. Außerdem könnte ich mir vorstellen, daß unsere Lena von sich aus damit fertig wird. Sie lernt Ballett. Und geht auch noch Fechten. Weiß ich von der Mutter.«
    »Ich verstehe nicht ganz …«
    »Glauben Sie mir, Balletteusen und Fechterinnen, so jung sie sein mögen, sind auf eine bestimmte Weise unangreifbar. Natürlich ist jedes Kind auch ein Kind. Aber Ballett ist ein Panzer von großer Härte. So widerlich die Herzchen dabei auch werden.«
    »Geht es Ihnen gut, Cheng?«
    »Sie verstehen mich nicht«, stellte Cheng fest.
    »Nein«, sagte der Polizist, meinte dann aber: »Braucht auch nicht sein. Jedenfalls werde ich alle Rücksicht walten lassen. Schließlich müssen wir diesem Kind und seiner Mutter nichts beweisen. Ein bißchen schwieriger ist die Sache mit der Alten da draußen, Frau Dussek.«
    »Ich würde vorschlagen«, meinte Cheng, »die Madame genau zu befragen. Nicht, daß ich wirklich sagen kann, wie tief sie in der Sache steckt. Sicher aber ist, daß sie Pavor geholfen hat, die Kremsersche Wohnung zu bekommen. Sicher ist, daß sie sich die Katzen geschnappt hat, um sie zu schikanieren. Ich könnte mir vorstellen, daß sie einiges weiß, was wir noch nicht wissen. Ja, sie hat die Kremser gehaßt, andererseits ist sie jeden Nachmittag mir ihr zusammengesessen. Ich an Ihrer Stelle, Oberstleutnant, würde die Dussek mitnehmen.«
    »Genau das werde ich auch tun, die Dussek mitnehmen. Aber vergessen Sie nicht, die Frau ist fast achtzig. Ich kann mit ihr nicht umspringen wie mit einer straffällig gewordenen Hürdensprinterin, oder?«
    »Wenn Sie mit ihr nicht umspringen«, prophezeite Cheng, »dann sie mit Ihnen. Die Frau hat nicht nur Haare auf den Zähnen, sondern auch einen Bunsenbrenner im Kopf. Ist doch bezeichnend, daß sie dort draußen steht und tobt und nach ihrem Gregorschatzi schreit, anstatt schön brav still zu sein und zu hoffen, daß niemand sie bemerkt.«
    »Haben Sie Vertrauen, lieber Cheng«, sagte Straka, »ich werde mit der Dame schon fertig werden. Aber etwas anderes: Ist es nicht ein bißchen sehr merkwürdig, daß dieser Fall ausgerechnet hier seine Fortsetzung findet? Ich war ziemlich platt, als ich begriffen habe, daß das Ihre alte Adresse ist.«
    »Puh! Ich weiß doch auch nicht. Mir brummt manchmal der Schädel, wenn ich alles zusammenrechne.«
    »Ich gehe noch immer davon aus«, sagte Straka, »daß Sie mir etwas Entscheidendes verschweigen.«
    »Nichts«, entgegnete Cheng, »was erklären könnte, warum wir in der Lerchenfelder Straße stehen und nicht woanders. Außerdem sagen Sie mir auch nicht alles, oder?«
    »Natürlich nicht. Sie haben recht. Keine Vorwürfe mehr. Wird sich schon noch alles klären, was sich klären muß. Wir werden uns jetzt mal mit dem Toten beschäftigen. Der Mann hat ja wohl eine Vergangenheit.«
    Der entscheidende Punkt war natürlich, herauszufinden, wer Gregor Pavor beauftragt hatte. Und genau darum ließ Straka die alte Dussek postwendend zu einem Verhör bringen, um festzustellen, ob sie die Person des Auftraggebers kannte oder nicht.
    Cheng war zufrieden. Für ihn zählte in erster Linie, daß Frau Dussek aus dem Haus geschafft wurde und nicht etwa damit anfing, Rubinstein und ihre Tochter zu belästigen. Terror machte ihres toten Liebhabers wegen. Oder vor lauter Wut die drei Kartäuser ertränkte. Oder wozu auch immer sie fähig und willig war.
    Cheng und Straka vereinbarten für den folgenden Tag einen Termin in Strakas Büro, damit Cheng seine Aussage machen konnte. Denn eine solche stand

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