Ein dickes Fell
Dalgard wußte es ganz sicher.
»Ihr Deutsch ist aber auch nicht schlecht«, sagte Cheng, an Dalgard gerichtet.
»Wir Skandinavier bemühen uns. Bemühen Sie sich auch, Herr Cheng?«
»Was meinen Sie? Beim Erlernen einer Sprache? Nein! Ich bemühe mich nicht.«
Was Cheng damit sagen wollte, war wohl, daß er den Fall aufgab. Was hätte er auch tun sollen? Dalgard am Kragen packen? Gemini am Kragen packen, wenn sie denn einen Kragen besessen hätte? Schreien? Sich festnehmen lassen wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses?
Nein, wirklich nicht! Ohnehin waren so gut wie alle tot, die sich für das Totsein angeboten hatten. Deren Opfer sich aufgedrängt hatte. Zuletzt auch noch ein Superstar namens Soluschka, ohne daß Cheng hätte sagen können, wieso der denn eigentlich.
»Auch egal«, murmelte Cheng.
»Was ist egal?« fragte Dalgard.
»Fremdsprachen«, sagte Cheng. Doch so ganz loslassen konnte er noch immer nicht. Wenigstens wollte er die Schriftsteller-Leiche einmal gesehen haben. Also entschuldigte er sich, aber er müsse noch rasch jemand guten Tag sagen.
»Wem denn?« Es war natürlich Irene, die gefragt hatte. Ein Affekt. Ein Ehefrauenaffekt.
»Einem Toten«, antwortete Cheng.
»Ach du mit deinen Bildern!« rief ihm Irene hinterher.
Cheng ging in die Vorhalle, wo er Bischof traf und sich hinunter zu der Stelle bringen ließ, an der die Leiche Sam Soluschkas lag. Der tote Mann lehnte noch immer am Getränkeautomaten. Die Spurensicherung kniete wie üblich auf dem Boden herum. Die Leute wirkten unaufgeregt, beinahe vergnügt. Als gewöhne sich auch die Polizei langsam an die vielen Leichen.
»Häßliches Hemd«, sagte Cheng zu Straka, mit Blick auf Soluschka.
»Wenn man so berühmt ist wie dieser Knabe«, erklärte der Oberstleutnant, »darf man sich die Zehennägel lackieren und gilt nicht mal als schwul. – Was Neues, Cheng?«
Cheng erzählte von seiner Ex-Frau, die nun also würde bezeugen können, Dalgard und Gemini seien zusammengewesen, als man sich zufälligerweise kennenlernte.
»Das ist ja köstlich«, kommentierte Straka, der beschlossen hatte, sich nicht mehr zu ärgern und nicht mehr zu wundern. Dank Schildkrötenpanzer.
»Trotzdem«, sagte Cheng, »hätte einer von den beiden, Gemini oder Dalgard, die Zeit gehabt, hier herunterzukommen und Soluschka zu erschießen.«
Straka überlegte, zuckte mit der Schulter und meinte dann, man könne ja, wenn Cheng darauf bestehe, bei Anna Gemini nach der Tatwaffe suchen.
»Die Tatwaffe hat Dalgard«, zeigte sich Cheng überzeugt.
»Wenn Sie das einfach nur behaupten, Cheng, ist das zu wenig. Viel zu wenig.«
»Ich weiß. Ich müßte Dalgard abknallen, dann könnten Sie ihn in aller Ruhe überprüfen.«
»Ja, das wäre eine gute Idee«, sagte Straka. Und ein bißchen ernster: »Gehen Sie schlafen, Cheng.«
»Die beste Idee von allen«, meinte der Detektiv und verließ augenblicklich den Raum.
Hinter sich hörte er, wie Bischof von seinem Chef verlangte, diesen »irren Detektiv« endlich mal in die Zange zu nehmen. Es gehe nicht an, jemand wegen eines verlorenen Arms ewig lange Sonderrechte einzuräumen.
»Halten Sie den Mund«, bat Straka.
»Hallo!«
Cheng drehte sich um. Anna Gemini stand vor ihm. Man befand sich am unteren Ende der großen Freitreppe.
»Wohin rennen Sie?« fragte Gemini.
»Ich renne nicht. Ich gehe nach Hause.«
»Sie können mich doch nicht so einfach stehenlassen.«
»Wieso nicht? Sie haben doch Ihren Dalgard.«
»Er ist nicht mein Dalgard«, wehrte sich Gemini. Sie sei von diesem Mann, wie sie ja bereits erklärt habe, angesprochen worden. Aber: »Darum ist er noch lange nicht mein Begleiter.«
»Nur Ihr Auftraggeber«, sagte Cheng.
»Reden Sie keinen Stuß«, erwiderte Gemini und hakte sich bei Cheng unter. Und zwar auf der richtigen Seite. Sie war nicht von gestern, so wie Oberstleutnant Straka.
Als die beiden wenig später im Auto saßen und Anna losfuhr, fragte Cheng: »Wieso Sam Soluschka? Was hat der Mann verbrochen?«
Anna Gemini sah zu Cheng, hob die Augenbrauen und fragte: »Wie kommen Sie auf den? Ich glaube, ich sah ihn heute abend. Aber wieso soll der Mann etwas verbrochen haben? Ich finde seine Bücher gar nicht so schlecht.«
»Und seine Hemden?«
»Was für Hemden?«
»Sie haben mein Vertrauen mißbraucht«, sagte Cheng.
»Ich weiß nicht, was Sie meinen«, sagte Gemini. Gab ihm aber den Rat: »Nehmen Sie sich nicht so ernst.«
Mehr war nicht mehr zu sagen. Anna Gemini setzte Cheng
Weitere Kostenlose Bücher