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Ein dickes Fell

Titel: Ein dickes Fell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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vor dem Wirtshaus Adlerhof ab. Dann fuhr sie weiter. Hinaus nach Mauer. Unbewacht. Die Polizei hatte aufgehört, sie zu beschatten.

43 Zähne
    Als Cheng das Wirtshaus des Herrn Stefan betrat, empfing ihn der Lärm gutgelaunter Menschen. Tische waren am hinteren Ende des Raums zusammengeschoben worden und dienten einer Gesellschaft als langgezogene Tafel. Davor lag noch immer Lauscher, nun aber sehr viel weniger an ein behaartes Ei erinnernd, denn an einen dieser Hasen, die sich totstellen, um ihren Jägern zu entkommen. Was übrigens unter Weidmännern kein Geheimnis ist, daß nämlich nicht nur Feldhasen, sondern das gesamte jagdbare Wild sich totzustellen pflegt. Umgekehrt führt dies dazu, daß Jägersleute wie tollwütig durch die Gegend schießen. Es macht sie rasend, diese Feigheit der Tiere vor dem Feind. Eine Feigheit, die dann auch noch raffiniert daherkommt.
    Nicht, daß Lauscher sich totstellte, oder auch nur totzustellen brauchte. Niemand bedrohte ihn. Hier schon gar nicht. Der schlimmste Säufer noch gab acht, Lauscher nicht auf den Schwanz zu treten.
    »Was wollen Sie?« fragte der Wirt.
    »Ich möchte meinen Hund …«
    »Ich sagte doch morgen abend«, erinnerte der Wirt.
    »Die Dinge haben sich geändert«, behauptete Cheng.
    »Meine Dinge nicht«, erwiderte Herr Stefan. Und verwies darauf, daß der Hund jetzt schlafe und man ihn unmöglich wecken dürfe.
    Nun, Lauscher schlief die meiste Zeit. Andererseits war Cheng ganz einfach im Unrecht. Es gab eine Vereinbarung, welche einzuhalten war. Ob das nun einen Sinn ergab oder nicht. Wiener konnten unnachgiebig sein. Prinzipienreiter. Erst recht wenn sie Ungarn waren.
    »Also gut«, kapitulierte Cheng, »ich hole ihn morgen.«
    »Ja, ja«, sprach Herr Stefan und vollzog eine Armbewegung, mit welcher er den Detektiv geradezu aus dem Lokal zu kehren schien. Wie Griechen das tun, wenn sie den Dreck vom Schiff fegen.
    Der solcherart »entfernte« Markus Cheng hielt an der nächsten Ecke ein Taxi an. Er fühlte sich außerstande, auch nur eine halbe Gasse lang noch seine Beine zu benutzen. Nun, viel mehr als eine halbe Gasse war tatsächlich nicht zurückzulegen. Die Lerchenfelder Straße, in die Cheng gebracht werden wollte, befand sich praktisch um die Ecke.
    Der Fahrer drehte sich um und fragte: »Wollen Sie mich frotzeln?«
    »Keineswegs. Kutschieren Sie mich ruhig ein bißchen in der Gegend herum. Vielleicht zum Donaukanal und wieder zurück. Ganz wie Sie wollen. Das ist mir alles lieber, als die paar Meter gehen.«
    »Na gut, Ihre Sache«, sagte der Taxichauffeur, ein Herr in den besten Jahren mit Dauerwelle, der Verrückteres kannte, als sinnlos durch die Gegend zu fahren. Er startete, wobei er seinen Wagen mehr rollen ließ, als daß er Gas gab. Manche Leute bedienen ihre Autos wie Segelflugzeuge. Manche Leute sind wirkliche Künstler. Übrigens: Im Radio spielte man gerade einen alten Falco-Hit.
    »Der Falco war super«, sagte der Chauffeur, ein umsichtiger Mensch, welcher seinen Fahrgast dank der Aussprache sofort als gebürtigen Wiener erkannt hatte.
    »Der Falco war der beste«, bestätigte Cheng und fragte, ob er rauchen dürfe.
    Dem Fahrer schien ein Stein vom Herzen zu fallen. Geradezu euphorisch hielt er Cheng eine offene Packung nach hinten. Cheng dankte und nahm sich eine. Nicht minder euphorisch. Die Welt war seltsam geworden. Wenn zwei Leute in einem Wagen rauchten, taten sie, als hätten sie Sex miteinander. Guten Sex, aber Sex eben.
     
    Es war kurz nach Mitternacht. Cheng sperrte vorsichtig die Türe zu seiner alten Wohnung auf. Er wollte das Kind nicht wecken. Man weiß ja, wie Balletteusen sich aufführen, wenn sie aus dem Schlaf gerissen werden. Den Schlüssel hatte er von Ginette. Noch im Treppenhaus schlüpfte Cheng aus seinen nassen Schuhen, hob sie hoch und betrat den beleuchteten Vorraum. Auf ein bereitgelegtes Tuch – für ihn bereitgelegt – stellte er das verdreckte Schuhwerk ab. So schnell konnte es also gehen.
    Nachdem Cheng seinen Mantel aufgehängt und sich einen kleinen Moment im Vorzimmerspiegel betrachtet hatte – als suche er in seinem Gesicht nach einer kleinen Aufmerksamkeit, die er jetzt hätte mitbringen können –, betrat er das Wohnzimmer. Ginette lag auf dem Sofa und las in einem Buch. Sie blickte auf und lächelte ihren Geliebten an. Ja, man könnte sagen, daß Ginette in Chengs Gesicht tatsächlich etwas wie ein Geschenk entdeckte. Sie war in diesem Moment ganz der Typ, der, wenn er sucht, dann auch

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