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Ein dickes Fell

Titel: Ein dickes Fell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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lassen. Diese Arbeit überließ er seinen Kollegen, die eben eingetroffen waren. Einen zog er zu sich und sagte:
    »Schaffen Sie den Leichnam fort.«
    »Wie meinen Sie das?« fragte der Mann.
    »Ich meine augenblicklich. Es ist nicht nötig, hier herumzufotografieren und sonst was zu tun. Einfach wegbringen.«
    Der Mann nickte.
    Zu Cheng gerichtet, sagte Straka: »Gehen wir. Sehen wir nach, ob Frau Gemini aufgetaucht ist.«
    Als sie den Lift erreichten, verließ soeben Chefinspektor Lukastik die Kabine. Er blieb stehen und gab Straka ein Zeichen.
    »Einen Moment«, sagte der Oberstleutnant und griff nach Chengs Arm. Also, er griff in der Eile nach jenem Arm, der gar nicht da war. Auch das eine Geste, die aus der Vergangenheit stammte, als an dieser Stelle noch etwas gewesen war. Jedenfalls spürte Cheng den Griff, und Straka spürte den Arm. Wie alte Leute, die gemeinsam fischen, ohne auch nur eine Angel in der Hand zu halten. Man sitzt da, sieht aufs Wasser und meint, man fischt.
    Wie auch immer, Cheng kapierte. Er blieb stehen, während Straka auf Lukastik zuging und die beiden sich eine Weile unterhielten. Cheng verstand kein Wort. Bemühte sich auch gar nicht, dem Gespräch zu folgen. Statt dessen nutzte er die Zeit, die Pause in der Zeit, eine Zigarette zu rauchen. Und dachte sich: »Man sollte wieder öfters rauchen.«
    Straka und Lukastik trennten sich. Lukastik, der Cheng mit keinem Blick gewürdigt hatte, ging auf eine Gruppe von Personen zu, gab Instruktionen. Straka kehrte zu Cheng zurück und sagte: »Viel schlimmer kann es nicht mehr kommen.«
    »Wieso?«
    »Wir haben jetzt noch eine Leiche. Der Mann heißt Soluschka, Sam Soluschka.«
    »Ist das nicht dieser norwegische Schriftsteller, von dem neuerdings alle sprechen?«
    Straka nickte und meinte: »Und die, die es bisher nicht taten, werden es jetzt tun. Der Mann liegt mit einer Kugel im Kopf neben einem Getränkeautomaten.«
    »Wieso Getränkeautomat?«
    »Man fand ihn in der Betriebskantine. Dabei heißt es, der Personalbereich sei abgesperrt gewesen. Aber das spielt jetzt auch keine Rolle mehr.«
    »Was ist mit Gemini?« fragte Cheng.
    »Ja, das ist ein bißchen dumm. Ich fürchte, wir werden der Dame nichts anhängen können.«
    »Sagen Sie jetzt nicht«, flehte Cheng, »daß sie auch tot ist.«
    »Keineswegs. Sie steht oben, mitten unter den Gästen. Zusammen mit einem Mann, der beschwört, sich die ganze Zeit über mit ihr unterhalten zu haben. Ja, er sprach sogar von Ihnen, Cheng. Nicht namentlich, sondern, daß Frau Gemini neben so einem Chinesen gestanden habe, als er sie ansprach. Und daß der Chinese anderweitig beschäftigt gewesen sei.«
    »Meine Frau. Ich traf meine geschiedene Frau«, erklärte Cheng. »Und als ich mich umdrehte … Was für ein Mann soll das sein?«
    »Nun, das ist ja das Blöde. Kein Typ von denen, die wir verdächtigen könnten, eine Killerin zu decken, kein spinnender Tonkünstler oder so, sondern ein norwegischer Geheimpolizist. Schwer an seiner Aussage zu zweifeln.«
    »Wie heißt er?« fragte Cheng.
    »Ich denke nicht, daß Sie ihn kennen.«
    »Ich denke schon.«
    »Lukastik sagte mir, es handle sich um einen gewissen Ludvig Dalgard. Und es sei absolut in Ordnung, daß er hier ist. Vollkommen offiziell. Zum Schutz von Frau Gude. Damit nicht auch die Witwe noch zu Schaden kommt. Nun ja, Frau Gude geht es gut. Und das ist in dieser Geschichte fast schon eine Sensation. Sie hält gerade ihre Rede.«
    »Wie?« staunte Cheng. »Man zieht die Veranstaltung durch?«
    »Ja. Wir wollen so tun, als hätten wir Soluschka noch gar nicht gefunden.«
    »Damit werden Sie den Täter kaum verwirren.«
    »Nein, wahrscheinlich nicht«, gestand Straka ein. Er hörte sich müde an. Müder konnte ein Mann gar nicht sein. Er sehnte sich jetzt nicht einmal mehr nach einer Verhaftung. Er sehnte sich, genaugenommen, auch nach keinem Bett. Es gibt eine Müdigkeit, die ist wie ein Panzer. Ein Schildkrötenpanzer. Man wird dadurch nicht gerade schneller oder flexibler, aber man fühlt sich aufgehoben. Aufgehoben in der eigenen Müdigkeit.
    Solcherart gefestigt, sagte Straka: »Ich muß hinauf.«
    »Natürlich«, antwortete Cheng.
    Gemeinsam betraten sie den Aufzug. Mit ihnen kam Bischof. Er grinste blöde. Was hätte er auch tun sollen? Jetzt flogen die Toten schon vom Himmel herab.
    »Wie ist das eigentlich?« richtete sich Straka erneut an Cheng, ohne aber wirklich interessiert zu klingen. »Kennen Sie diesen Norweger, diesen

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