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Ein dickes Fell

Titel: Ein dickes Fell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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Mann töten.«
    »Er ist nicht mein Mann.«
    »Sie tragen seinen Namen.«
    »Ich trage auch diese Klamotten, und es sind nicht meine. Ich mußte Apostolo heiraten, er hätte mich ansonsten umgebracht.«
    »Ihre Großmutter sieht das anders.«
    »Mag sein. Jedenfalls habe ich diesen Menschen nicht aus Liebe geheiratet, sondern um mein Leben zu retten.«
    »Hört sich an«, fand Anna, »als seien Sie in einen Käfig gestiegen, um sich vor einem Löwen zu schützen, der genau in diesem Käfig sitzt.«
    »Manche Geschäfte sind schlechte Geschäfte«, konstatierte Nora. »Aber es führt kein Weg vorbei. Ich weiß schon, daß ich nicht wie jemand aussehe, der gerne lebt. Niemand hier glaubt, daß ich gerne lebe. Man hält mich für eine potentielle Selbstmörderin. Aber das ist ein Irrtum. Ich liebe das Leben. Ich träume von einer Zukunft. Und jetzt, wo Sie hier stehen, halte ich eine Zukunft sogar für möglich.«
    Anna Gemini widersetzte sich erneut ihrer eigenen Philosophie des sich Heraushaltens aus intimen Details, indem sie erklärte: »Wenn Sie wirklich wollen, daß ich Ihnen helfe, sollten Sie mir sagen, was los ist. Ich begreife immer noch nicht, worin Herrn Janotas teuflisches Wesen besteht.«
    »Genügt Ihnen das nicht? Daß ein Mann einer Frau mit dem Tod droht, um sie zu heiraten.«
    »Wozu sollte diese Heirat gut sein? Oder möchten Sie, daß ich glaube, es handelt sich um eine Art verrückter Liebe?«
    »Nein, sicher keine Liebe. Er wollte einfach dieses Haus.«
    »Welches Haus?«
    »Das Haus meiner Eltern. Als sie starben, bin ich dort eingezogen. Ein kümmerliches Häuschen mit Garten. Schlechte Gegend, schlechte Luft. Nichts, weswegen es sich lohnen würde, ein Verbrechen zu begehen. Sollte man meinen. Eines Tages stand Apostolo vor der Türe. Wie hingezaubert. Ein eleganter, humorvoller Mann. Meiner Seel! Ich war sofort hingerissen. Und blind und blöd. Viel zu blind und blöd, um zu begreifen, was der Mann eigentlich vorhatte. Und daß diese Geschichte mit seiner Autopanne und dem verlegten Handy ein Trick war. Ein Trick, um in dieses Haus zu kommen. Und zwar für immer.
    Fragen Sie mich nicht, welche Bedeutung die verdammte Hütte für ihn hat. Aber es muß eine ungeheure sein. Es wäre mir leichter, wüßte ich es. Aber ich weiß es nicht, ich weiß nur, daß es ihm von Anfang an allein darum ging, dieses Haus zu besitzen. Was für ihn geheißen hat, mich zunächst einmal zu heiraten. Aber da hatte ich schon begriffen, was er wirklich wollte. Diese läppischen achtzig Quadratmeter samt Gemüse- und Blumenbeet und ein paar knorrigen Bäumen und verhungerten Sträuchern. Also habe ich mich geweigert, habe geglaubt, ich könnte diesen Mann so einfach vor die Türe setzen.«
    »Und er hat Ihnen definitiv mit dem Tod gedroht? Nicht etwa eine Umschreibung gewählt, die man interpretieren kann?«
    »Sie halten mich für paranoid, nicht wahr?«
    »Das entscheide ich später«, sagte Anna Gemini.
    »Er hat mir ohne Umstände erklärt, daß es ihm ein leichtes wäre, mich aus dem Weg räumen zu lassen. Daß er Typen kennt, die für ein paar Groschen dumme Kühe lebendig begraben. Und daß diese Drohung auch für meine Großmutter gelte. Er hätte keine Lust, sich mit einer alten, engstirnigen Frau wegen des Hauses herumärgern zu müssen.«
    »Er hat also offen bekannt, das Haus zu wollen.«
    »Das hat er. Hätte es sich um ein Schloß gehandelt, oder zumindest um ein Grundstück, durch das demnächst eine Autobahn führen würde … Aber nichts davon ist der Fall. Dieses Haus ist ein Witz.«
    »Ein böser Witz, wie es scheint.«
    »Ich mußte Apostolo heiraten«, wiederholte Nora, »um mich und Mascha zu schützen.«
    »Ihre Großmutter behauptet, dieser Mann sei eine Maschine.«
    »Das könnte man manchmal meinen. Es ist diese unaufgeregte, sachliche Art, mit der er selbst noch das Schrecklichste darlegt. Er sagt, er könnte dich töten lassen, sagt es aber in einem Ton, als bespreche er den Einkaufszettel.«
    »Sie sagten, er sei humorvoll.«
    »Sein Humor ist gestellt. Das habe ich bald einsehen müssen. Ein Humor wie ein auswendig gelerntes Gedicht. Perfekt, aber unecht. Ich kann schon verstehen, daß Mascha ihn für einen künstlichen Menschen hält, auch wenn das natürlich eine fixe Idee von ihr ist. Das entspricht ihrem Golem-Tick.«
    »Golem-Tick?«
    »Sie war als junge Frau in Prag, eines Mannes wegen, eines Juden, der dann später umkam, nicht während der Verfolgung, sondern absurderweise nach

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