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Ein dickes Fell

Titel: Ein dickes Fell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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Namen zu erinnern, und bat ihn ohne Umstände in die Wohnung.
    Bereits der Vorraum verriet, daß auch Chengs ehemaliges Quartier einem großen Wandel unterzogen worden war. Der Mief der Jahre, die Patina eines halben Jahrhunderts waren dahin, dieser Eindruck einer in Räumlichkeiten umgewandelten Krankengeschichte. Auch hier hatte sich der Geruch verkohlter Speisen, der Geruch jener Rückstände, die ewig lange auf der Rückseite von Küchenherden kleben und Biotope der besondern Art bilden, verflüchtigt. Und zwar zugunsten eines Aromas, welches der frische Parkettboden, die frische Dispersion und ein Übergewicht an Zuversicht verströmten.
    Die Frau, der diese Zuversicht wie eine liebenswürdige Kriegsbemalung ins Gesicht geschrieben stand, stellte sich mit Namen Rubinstein vor.
    Beinahe hätte Cheng mit Blick auf das finster dreinschauende Kind seiner Verwunderung ob eines jüdischen Namens Ausdruck verliehen. Zumindest klang Rubinstein für ihn um einiges jüdischer als Cheng. Aber er hielt sich natürlich zurück, dankte der Frau für ihre Gastfreundschaft, ließ sich seinen Mantel abnehmen und folgte ihr in das Wohnzimmer, in dem früher einmal sein Büro gelegen hatte.
    Das sagte er jetzt auch. Er sprach laut: »Mein Büro!«
    »Ja«, antwortete die Frau ein wenig verlegen, als rede man über jemand Verstorbenen, »die Vermieterin sagte uns, daß Sie hier gearbeitet haben. Wir fanden es … interessant. Das Zimmer eines Detektivs.«
    Nun, dieses Detektiv-Zimmer war nicht wiederzuerkennen. Modern, dennoch gemütlich. Etwa das Sofa von der Farbe blassen Eidotters, welches dastand wie ein langer, dünner Mann, der auf dem Rücken lag. Von einem Herrn Rubinstein war allerdings nichts zu sehen oder zu hören. Dafür ruhte ein Pudel auf dem dicken, ovalen, roten Teppich, der als ein wahrhaftig rotes Meer den Raum dominierte. Der Pudel war jedoch nicht lebendig, sondern aus Stoff, wie Cheng erst im zweiten oder dritten Moment bemerkte. An Lauscher gewöhnt, war das absolute Stillhalten eines Tiers für ihn nicht unbedingt ein Ausdruck von Künstlichkeit.
    »Sehr schön haben Sie es hier«, sagte Cheng und betrachtete ein Gemälde an der Wand, eins von diesen Farbtupfenbildern, deren edelster Sinn darin besteht, den Betrachter in Frieden zu lassen und sich mit den Zimmerpflanzen zu vertragen.
    »Wir mußten einige Änderungen vornehmen lassen«, gestand Frau Rubinstein im Ton der Entschuldigung.
    »Es hat zu meiner Zeit schrecklich ausgesehen«, versicherte Cheng. »Nicht schmutzig oder chaotisch, das nicht. Aber allein der Teppichboden war ein Graus. Gebraucht gekauft. Ein gebrauchter Teppichboden, das ist, als würde man fremde Socken anziehen.«
    »Fremde Unterhosen«, mischte sich das Kind ein.
    »Lena, Schätzchen«, bat Frau Rubinstein, »sei nicht vorlaut.«
    Lena-Schätzchen machte ein Gesicht, als kenne es keinen einzigen anderen Grund für die eigene Existenz, als den, vorlaut zu sein.
    »Jedenfalls war der Teppich eine schlimme Sache«, meinte Cheng, um sich sodann zu erkundigen, ob Frau Kremser noch lebe. Die Nachbarin mit den drei Kartäuserkatzen.
    »Die Katzen leben«, sagte Lena.
    »Frau Kremser ist vor einem halben Jahr gestorben«, berichtete Rubinstein. »Waren Sie mit ihr befreundet?«
    »Das nicht. Aber ich hatte auch eine Katze. Und einen Hund. Da kommt man sich natürlich näher. Woran starb Frau Kremser?«
    Rubinstein verzog ihr Gesicht, sodaß der Ausdruck totaler Zuversicht etwas in Mitleidenschaft gezogen wurde. Sie wies ihre Tochter an, in die Küche zu gehen, und erlaubte ihr, sich ein Stück Schokolade zu nehmen.
    Lena verzichtete mit Leichtigkeit auf eine Süßigkeit, die ja nicht davonlief, und erklärte, Frau Kremser habe sich aufgehängt.
    »So sagt man das nicht«, sagte Frau Rubinstein, ohne aber zu sagen, wie man das sagte.
    Cheng meinte verwundert: »Die Kremser war eigentlich nicht der depressive Typ.«
    »Fand ich auch«, äußerte Rubinstein. »Sie hatte etwas Unverwüstliches. Wie ihre Katzen. Wenn jemand ihr dumm kam, hat sie ihn bei der Türe rausgeworfen. Eine furchtlose Frau.«
    »Breitbeinig«, fand Cheng.
    »Ja, so könnte man es ausdrücken. Wir waren alle sehr überrascht, als sie sich das Leben nahm. Aber man kann natürlich nicht in einen Menschen hineinsehen.«
    »Na klar, Mama, daß man das nicht kann«, sagte Lena mit der Augenverdrehung gebildeter Stände, schien nun aber doch gelangweilt und wechselte hinüber in die Küche.
    »Keine Schokolade«, rief ihr die

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