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Ein dickes Fell

Titel: Ein dickes Fell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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Mutter hinterher. »Du hast deine Chance verspielt.« Und an Cheng gerichtet, mit der Achsel zuckend: »Die kommen immer früher in die Pubertät.«
    Hätte man die Pubertät nicht, dachte Cheng, man müßte sie erfinden. Nickte aber mit einer Mimik uneingeschränkten Verstehens. Dann fragte er erneut nach Frau Kremser, wollte wissen, ob denn vielleicht eine Krankheit im Spiel gewesen sei.
    »Nicht, daß ich wüßte. Am Tag, bevor das geschah, hat sie mir geholfen, einen Tisch nach oben zu tragen. Die Frau war kräftig. Sollte sie krank gewesen sein, hat man es ihr nicht angemerkt. Verwunderlich auch, daß sie sich umgebracht hat, ohne ihre Katzen zu versorgen. Nicht ihr Stil. Gar nicht.«
    »Die Verzweiflung verändert den Menschen«, sagte Cheng in einem Ton, als sei dies eine Weisheit, für die man mindestens vierzig Jahre werden mußte.
    »Natürlich …« Frau Rubinstein zeigte sich erleichtert. Sie meinte, es beruhige sie, daß selbst ein Detektiv an einem solchen Selbstmord nichts Eigentümliches erkennen könne.
    »Das habe ich nicht gesagt. Man muß nur aufpassen, nicht gleich das Gras wachsen zu hören, bloß weil ein Mensch etwas Unerwartetes tut. Andererseits erinnere ich mich gut an diese fetten Katzen und wie sehr Frau Kremser darauf geachtet hat, daß die Viecher ihr Idealgewicht behalten. Daß jemand Selbstmord begeht, ist ja nicht ungewöhnlich. Daß jemand aber so einfach aufhört, seine Katzen zu mästen … schon komisch. Wer lebt jetzt in Frau Kremsers Wohnung?«
    »Ein Mann, über den ich nicht viel sagen kann. Leitender Angestellter. Etwas mit einer Bank. Ich sehe ihn kaum, könnte ihn kaum beschreiben. Nicht gerade die Art Mann, der ich mein Kind anvertrauen würde, auch wenn es unfair ist, so etwas zu sagen.«
    »Was ist aus den Katzen geworden?«
    »Die hat Frau Dussek zu sich genommen. Die alte Dame aus dem letzten Stock.«
    »Ach was?« staunte Cheng. »Ausgerechnet die Dussek? Ich habe in Erinnerung, daß sie Kremsers Katzen unausstehlich fand.«
    »Davon weiß ich nichts«, erklärte Frau Rubinstein.
    »Was soll’s?« gab sich Cheng gleichmütig. »Wie ich schon sagte, man kann sich in den Leuten irren. Man hält jemand für einen Katzenliebhaber und jemand anders für einen Katzenhasser – und siehe da! Gerade, weil ich mich darin auskenne, kann ich sagen: Nicht hinter jeder Ungereimtheit steckt ein Verbrechen.«
    Als würde dies jedoch für jede Unhöflichkeit gelten, fragte Frau Rubinstein nun, ob sie Cheng etwas anbieten könne. Cheng lehnte dankend ab, bat aber darum, sich die restlichen Räume ansehen zu dürfen. Und fügte mit gekünsteltem Bedauern an, wie lächerlich sentimental er sich aufführe.
    »Unsinn!« meinte Rubinstein. »Ich verstehe das. Ich gehe heute noch an meiner alten Schule vorbei. Dabei war ich nicht einmal eine gute Schülerin. Aber wenn ich in der Nähe bin … Es besteht, wie man so sagt, eine magische Anziehung. Es gibt Personen, die fahren Kilometer, nur um bei ihrem alten Bäcker Semmeln zu kaufen. Auch wenn die Semmeln aus der Maschine kommen und auch so schmecken. Aber sie können nun mal von diesem Bäcker und diesen Semmeln nicht loslassen.«
    Zufrieden mit ihrem Semmelbeispiel, führte Frau Rubinstein Cheng in das Schlafzimmer, das ja auch sein Schlafzimmer gewesen war. Doch statt Chengs bodennahem Ein-Mann-Futon bestimmte nun die trampolinartige Erhöhung eines in spiegelblankem Nußholz eingerahmten Doppelbettes den Raum. Die elegante Liegestatt suggerierte die einstige Existenz eines Herrn Rubinstein, wo auch immer er sich nun befinden mochte. Daß er noch hier lebte, schloß Cheng aus. Das war ganz eindeutig die Wohnung einer Frau und eines Kindes, in die ein Gatte und Vater die längste Zeit seine Ordnung oder Unordnung eingebracht hatte. Die Doppelbetthälfte war ein letzter Hinweis auf diesen Mann. Ein Hinweis ohne echte Spur. Ein glatt gebürsteter Überrest.
    Es versteht sich, daß Cheng es unterließ, sich nach einem Herrn Rubinstein zu erkundigen. Statt dessen tat er einen Blick in das kleine Kabinett, das hinter dem Schlafzimmer lag, jedoch auch mit dem Flur verbunden war. Cheng hatte darin alles mögliche aufbewahrt, um die übrige Wohnung vom Plunder freizuhalten. In diesem ehemaligen Plunderraum war nun ein perfektes Kinderzimmer untergebracht. Heimelig und fröhlich und bunt und materialbewußt, allerdings auch nicht so fröhlich und bunt, daß einem nach fünf Minuten schwindlig geworden wäre.
    Cheng sah die üblichen Poster von

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