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Ein dickes Fell

Titel: Ein dickes Fell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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Belangen, konnte Cheng nicht sehen. Nun, er würde es spätestens bemerken, wenn sie ihm diesen Glühwein servierte, für den sie einen überaus billigen Roten verwendete. Den billigsten, den sie hatte kriegen können. Und keineswegs darum, weil sie vorgehabt hatte, ihn als Glühwein zu kredenzen.
    Demgemäß wirkte Cheng wenig begeistert, als er daran nippte. Er lächelte auf jene verkrampfte Art, mit der man Sorgen hinunterschluckt. Sodann stellte er den Becher auf dem Tisch ab. Und statt nun das Getränk zu loben, was ja ein Witz gewesen wäre, lobte er den Tisch.
    »Ein Tisch von Adolf Loos. Ein Original. Ein Einzelstück«, sagte Anna. Sie konnte es nicht lassen. Sie war einfach schrecklich stolz auf diesen Tisch, der ja nicht nur ein kleines Vermögen, sondern vor allem enorme Mühen der Überredung gekostet hatte. Es gab Tische, die konnte man nicht einfach nur kaufen. Die mußte man sich erarbeiten. Für die mußte man – wie oft leichthin gesagt wird – ein klein wenig sterben.
    »Schöne Sachen hier«, bemerkte Cheng. »Wertvolle Sachen.«
    »Überschätzen Sie das nicht. Ich bin nicht reich, ich bin sparsam. Haben Sie meinen Wagen draußen gesehen?«
    »Nein.«
    »Der Wagen hat weniger gekostet als meine Waschmaschine. Meine gebrauchte Waschmaschine, wie ich betonen muß. Wenn man sich bei Waschmaschinen und Autos zurückhält, kann man sich plötzlich Dinge leisten, die man nicht für möglich hielt.«
    »Einen originalen Loos-Tisch … Ich weiß nicht?«
    »So teuer war er gar nicht«, behauptete Anna. »Allerdings mußte ich ein Stückchen meiner Seele dafür hergeben.«
    »Ihrer Seele?«
    »Bildlich gesprochen. Das gilt für die meisten schönen Dinge. Will man sie haben, muß man einen Teil von sich opfern. Das ist der Grund, daß die meisten großen Sammler vollkommen hohl, zumindest vollkommen leblos inmitten ihrer Sammlungen stehen. Man muß das mit der Seele ein wenig dosieren können.«
    »Und Sie können das?«
    »Ich bin keine große Sammlerin. Sie sehen ja selbst. Ich weiß mich zu begnügen.«
    »Sie leben alleine hier?« fragte Cheng.
    »Mit meinem Sohn. Er ist oben«, sagte Anna, betrachtete ihr Gegenüber scharf und dachte sich: Schweinebacke.
    »Nun, warum ich hier bin …«, begann Cheng, griff nach dem Glühwein-Becher, überlegte es sich aber.
    »Ja?«
    »Es geht um den Dobrowsky. Das Bild im Flur. Darum auch hatte ich den Namen des Malers sofort parat. Ich kannte das Bild von einer Fotografie. Sie sehen also, Frau Gemini, daß es mit meinen Kenntnissen die Malerei betreffend nicht so weit her ist. Ich wußte, was mich erwartet.«
    Raffiniert, der Kerl, dachte sich Anna. Sie zweifelte keinen Moment, daß es eine Lüge war, wenn er behauptete, wegen des Dobrowskys hier zu sein. Ganz gleich, was jetzt noch kommen würde. Es mußte eine Lüge sein, denn um des Gemäldes willen hätte Cheng nicht an der Kirche stehen und ihren Sohn beobachten müssen. Nie und nimmer.
    Doch es war nun mal raffiniert zu nennen, daß Cheng seine Kunstkenntnis verleugnete, um irgendeine erfundene Geschichte zu untermauern und sich selbst wieder in die Position eines ziemlich gewöhnlichen Detektivs zu versetzen.
    Anna Gemini spielte mit, indem sie ihm erklärte, sich überhaupt nicht vorstellen zu können, daß irgend etwas mit dem Bild nicht stimme. Sie habe es in völlig korrekter Weise bei einer Auktion ersteigert.
    »Darum geht es auch nicht«, sagte Cheng. »Mein Auftraggeber – sein Name braucht nicht genannt zu werden – möchte dieses Bild erwerben. Und zwar auf eine genauso korrekte Weise, wie Sie es fraglos ersteigert haben. Darum bin ich hier. Um mit Ihnen zu verhandeln.«
    »Verhandeln? Hören Sie auf. Was soll ich davon halten? Dobrowsky gehört nicht zur ersten Liga. Er besitzt nicht den Wert, welcher die Kosten eines Detektivs rechtfertigen würde.«
    »Ach wissen Sie«, meinte Cheng, »man hat mich schon für Geringeres bezahlt.« Und fügte hinzu: »Sie sprachen zuvor von denen, die für irgendein Stück Kunst gleich ihre ganze Seele veräußern. Mein Auftraggeber, denke ich, ist so jemand. Geld fällt da wirklich nicht ins Gewicht.«
    »Warum gerade dieses Bild?« fragte Anna. Gleichzeitig dachte sie: Was läßt du dir jetzt wohl einfallen, einarmiges Detektivchen?
    Nun, Cheng bewies zumindest, daß er von Dobrowsky wirklich eine Ahnung besaß, indem er darlegte, sein Auftraggeber habe Anfang der Sechzigerjahre bei dem damals über siebzigjährigen Expressionisten studiert. Und auch wenn

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