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Ein diebisches Vergnügen

Ein diebisches Vergnügen

Titel: Ein diebisches Vergnügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Mayle
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Schulter geschaut und war über dieses Weingut oder jenen Jahrgang in Verzückung geraten, womit er sie von ihren eigentlichen Absichten abgelenkt hatte. Und genau da lag das Problem, das einer Lösung bedurfte. Fünfhundert Flaschen unter mehreren Tausend zu identifizieren war ein Unterfangen, das mehrere Stunden in Anspruch nehmen und beträchtliche Konzentration
erfordern würde. Mit ein wenig Glück würde ein Nachmittag ausreichen, und sie hatten ja die Karte als Orientierungshilfe. Dennoch würde es kein Kinderspiel werden, und Vials allgegenwärtige Präsenz würde es ihnen noch schwerer machen. -
    Sam schenkte zwei Gläser Wein ein. Von einer kräftigeren Farbe als die blassen rosés, die derzeit in L.A. der letzte Schrei waren, hatte die französische Entsprechung einen ähnlich rosigen Schimmer wie der Schinken in seinem Sandwich. Er hielt sein Glas gegen das Sonnenlicht, nahm einen Schluck und behielt den Wein einen Augenblick im Mund. Er schmeckte nach Sommer. Nachdem er den Vormittag damit verbracht hatte, sich unter die Weinaristokratie zu mischen, empfand er es als erfrischende Abwechslung, einen einfachen, ungekünstelten, wenngleich guten Tropfen zu trinken – kein ellenlanger Herkunftsnachweis, kein historischer Jahrgang, keine Komplikationen und kein maßlos aufgebauschter Preis. Kein Wunder, dass der Rosé der bevorzugte Rebensaft der Provence war.
    »Wissen Sie was?«, sagte er. »Es wäre nicht schlecht, wenn wir uns heute Nachmittag bei der Besichtigungstour trennen. Einer von uns bleibt auf der Seite der Weißweine, der andere überprüft die Roten Vial kann nicht an zwei Orten gleichzeitig sein. Was halten Sie davon?«
    Sophie dachte einen Moment nach, dann nickte sie. »Ich übernehme die Weißen!«
    »Ganz wie Sie möchten. Gibt es dafür einen bestimmten Grund?«
    »Die meisten Weine, nach denen Sie suchen, sind Rotweine. Sie wollen sicher nicht, dass Vial sieht, wie Sie sich Notizen machen oder fotografieren. Und noch etwas – ich bin aus Bordeaux. Ich kenne mich mit Rotweinen aus. Mit
Champagner und weißem Burgunder weniger. Deshalb ist es einleuchtend, wenn ich Vial bitte, mir etwas darüber zu erzählen. Er redet gern, um mit seinen Kenntnissen zu prahlen. Sie haben es ja heute Morgen erlebt. Ich bin sicher, ich muss ihn nur so viel ermutigen« – sie maß mit Daumen und Zeigefinger den Bruchteil eines Zentimeters ab – »und schon redet er den ganzen Nachmittag ohne Punkt und Komma.« Sie lächelte Sam über den Rand ihrer Sonnenbrille an.
    »Die Sache macht Ihnen Spaß, habe ich recht?«
    »Großen Spaß, in gewisser Hinsicht. Sie ist wesentlich vergnüglicher als die übliche Schreibtischarbeit. Ähnlich wie ein Spiel.« Sie zuckte die Achseln. »Aber ich bin mir nicht sicher, ob ich wirklich möchte, dass wir gewinnen. Verstehen Sie, was ich meine?«
    Sam verstand es. Bisher war er ein oder zwei Mal in Fälle verwickelt gewesen, in denen seine Sympathien aus dem einen oder anderen Grund dem Täter galten. »Ich weiß, was Sie meinen«, erwiderte er. »Reboul und Vial scheinen beide rechtschaffene Männer zu sein. Aber auch ein Ehrenmann kann ein Schurke sein, kann eine dunkle Seite haben. Schauen Sie mich an. Ich bin das beste Beispiel.«
    Sophie reagierte genauso wenig überrascht auf diese Enthüllung, als hätte Sam ihr soeben eröffnet, dass er Profi-Footballspieler gewesen sei. Er war schließlich Amerikaner, und bei denen war alles möglich. »Sehnen Sie sich manchmal danach zurück – nach Ihrer dunklen Seite?«
    »Manchmal.« Sam lehnte sich in seinem Stuhl zurück und beobachtete einen alten Mann, der langsam über die Straße schlurfte und den herannahenden Autos mit dem Gehstock drohte. »Wenn man dem Gesetz ein Schnippchen schlägt, ist man sich nachhaltig bewusst, dass man lebt. Intensiv lebt. Das
ist vermutlich eine Folge des Risikos, das man eingeht, und des erhöhten Adrenalinspiegels. Mir gefiel vor allem die damit verbundene Planung, das Ausarbeiten der einzelnen Schritte, ein Prozess, der reibungslos über die Bühne gehen muss: Bis zur letzten Sekunde wird alles bis ins Kleinste organisiert und umgesetzt. Keine Waffen, keine Gewalt, keiner wird geschädigt.«
    »Außer der armen Versicherungsgesellschaft.«
    »Ja, richtig. Aber zeigen Sie mir eine arme Versicherungsgesellschaft, und ich liefere Ihnen den Beweis, dass Nikolaus existiert und dass er seinen Lebensabend gesund und munter in Florida verbringt. Aber ich verstehe, was Sie meinen. Es gibt immer

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