Ein diebisches Vergnügen
Les Preuses.« Sam konnte hören, wie eine Flasche aus ihrem Behältnis genommen wurde. »Im Glas hat er eine hinreißende Farbe, Gold, vielleicht mit einem soupçon , einem Quäntchen, Grün.« Die Flasche glitt in ihr Behältnis zurück. Eine weitere wurde herausgezogen. Mit angehaltenem Atem und auf Zehenspitzen verließ Sam die Impasse d’Yquem und kehrte auf die andere Seite des Boulevards und damit auf das sichere Terrain der Roten zurück. Dort wurde er eine Viertelstunde später von Vial und Sophie entdeckt, als er die Pomerol-Behältnisse inspizierte, das Notizbuch in der Hand. Die Kamera hatte er in der Tasche verstaut.
»Aha!«, sagte Vial. »Da ist er ja, Ihr Kollege, eifrig bei der Arbeit. Fleißig wie eine Biene, oder? Ich hoffe, er hat etwas gefunden, was ihn interessiert.«
»Fabelhaft!«, rief Sam aus. »Absolut fabelhaft. Eine wirklich außergewöhnliche Sammlung.«
»Da sollten Sie erst die Weißweine sehen!«, warf Sophie ein. Die Burgunder! Den Yquem! Monsieur Vial hat mir eine unvergessliche Unterrichtsstunde erteilt.«
Der Kellermeister drohte vor Stolz zu platzen.
»Ich kann es kaum erwarten«, erwiderte Sam. »Aber ich fürchte, für heute haben wir Monsieur Vials Zeit schon viel zu lange in Anspruch genommen. Darf ich Sie um einen großen Gefallen bitten? Würden Sie uns gestatten wiederzukommen?«
»Natürlich.« Vial kramte in seiner Tasche und zog eine Visitenkarte hervor. »Sie finden meine Handynummer darauf. Oh, da fällt mir gerade ein – Monsieur Reboul hat aus Korsika angerufen, um sich zu vergewissern, dass Sie alles haben, was Sie brauchen.«
Nach einem längeren Austausch überschwänglicher Dankesbezeigungen von Sophie und Sam und einer angenehm verhaltenen Abwehr von Vial verließen sie das Zwielicht des Kellers und traten blinzelnd in die Nachmittagssonne hinaus.
Den Rückweg ins Hotel legten sie schweigsam zurück; beide mussten erst einmal verdauen, was sie in den vergangenen zweieinhalb Stunden zu Gesicht bekommen hatten.
»Philippe hat gesagt, dass er in der Lobby auf uns wartet«, sagte Sophie, als sie in die Hotelauffahrt einbogen. »Er ist gespannt, was wir herausgefunden haben. Er meinte, das Ganze kommt ihm vor wie ein Detektivroman.«
Sam blieb abrupt stehen. »Hat er eigentlich Kontakt zur örtlichen Polizei? Gute Kontakte? Ordnungshüter, mit denen er hin und wieder ein Glas trinkt?«
»Mit Sicherheit. Das ist bei allen Journalisten gang und gäbe. Schauen Sie, er ist schon da.« Sie deutete auf Philippes schwarzen Motorroller, halb verdeckt in dem Gebüsch, das die Auffahrt säumte. »Wieso fragen Sie?«
»Nur so ein Gedanke, aber ich habe das Gefühl, als könnten wir sie vielleicht brauchen.«
17. Kapitel
P hilippe telefonierte gerade; er lief in der Lobby hin und her, wobei er seine freie Hand vor und zurück, auf und nieder und von Seite zu Seite schwang, als würde er ein unsichtbares Symphonieorchester dirigieren. Er trug wie immer militärische Kleidung aus zweiter Hand, wobei eine Kampfjacke mit der Aufschrift Hell on Wheels , die in auslaufenden, blutroten Großbuchstaben auf seinem Rücken prangte, den Vogel abschoss. Als er Sophie und Sam gewahrte, beendete er das Gespräch auf der Stelle und ließ sich kaum Zeit, »Au’voir« zu murmeln, bevor das Handy in seiner Tasche verschwand. Sam hatte oft bemerkt, dass die Franzosen, die für ihr Leben gerne reden, eine brüske, beinahe brutale Art hatten, Telefongespräche abzuwürgen. Sie hielten nichts von langen Abschiedsszenen, was bei einem so mitteilsamen Völkchen seltsam anmutete.
»Nun, also«, erkundigte er sich mit fieberhafter Neugier, an Sam gewandt, nachdem er in aller Eile seiner Pflicht nachgekommen war, Sophie auf jede Wange zu küssen. »Was haben Sie herausgefunden?«
»Eine Menge«, erwiderte Sam. »Ich werde Ihnen alles haarklein erzählen, aber zuerst brauche ich ein paar Dinge aus meinem Zimmer. Würden Sie so nett sein, uns einen Tisch in der Bar zu reservieren? Es dauert nicht lange.«
Fünf Minuten später gesellte er sich wieder zu den beiden, mit einem Stapel Papiere – seine Notizen, Rebouls Dossier und ein Aktenordner, den er aus L.A. mitgebracht hatte. Er legte alles auf dem Tisch ab und platzierte seine Kamera oben auf dem Stapel.
Philippe hatte die Aufgabe übernommen, für die Erfrischungen zu sorgen. »Sophie hat mir erzählt, dass Sie rosé mögen«, sagte er, nahm eine Flasche Tavel aus dem Eiskübel und füllte die Gläser. »Voilà , Domaine de la
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