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Ein diebisches Vergnügen

Ein diebisches Vergnügen

Titel: Ein diebisches Vergnügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Mayle
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größte Mühe, auf die zahlreichen interessanten Einrichtungsgegenstände in seinem vollgestopften Büro hinzuweisen. Ein kolossaler Korkenzieher, leicht einen Meter lang, mit einem Handgriff aus einem gewundenen, auf Hochglanz polierten Olivenholzzweig, lehnte neben seinem Schreibtisch an der Wand; dem Schreibtisch eines Connaisseurs, wie Vial erklärte. Abgesehen von der Glasplatte war er ausschließlich aus Lattenkisten gefertigt, in dem die renommierten Weingüter ihre Weine versandten, wobei jede einzelne als Schublade diente und jede Schublade mit Namen und Stempel eines illustren Schlosses gekennzeichnet war. Die unauffälligen Handgriffe bestanden aus runden Holzpflöcken, deren Maserung Ähnlichkeit mit Korken aufwiesen.
    Sam holte seine Kamera heraus und hielt sie in die Höhe. »Ist das in Ordnung? Nur ein paar Referenzaufnahmen.«
    »Aber selbstverständlich!« Vial eilte herbei, um ins Bild zu gelangen, legte eine Hand auf den Schreibtisch, hob den Kopf und setzte eine würdevolle Miene auf: der gewissenhafte caviste, in einem besinnlichen Augenblick eingefangen.
    Sam konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. »Ich sehe, solche Foto-Shootings machen Sie nicht zum ersten Mal.«
    Der Kellermeister strich rasch über seinen Schnurrbart und nahm eine andere Pose ein, dieses Mal auf der Schreibtischkante hockend, die Arme verschränkt. »Stimmt, ich habe schon für einige Weinmagazine gearbeitet. Die sind immer ganz versessen auf die sogenannten Geschichten, die das Leben schreibt.«
    Während Sam fotografierte, studierte Sophie weiteres Anschauungsmaterial zu den Geschichten, die das Leben schreibt; es bedeckte den größten Teil einer ganzen Wand: gerahmte Fotografien von Vial, an der Seite von Filmschauspielern, Fußballspielern, Popstars, Modedesignern, Models und anderen Besuchern mit einem gewissen Wiedererkennungsfaktor. Sie teilten sich die Wandfläche mit Zertifikaten von Weinbruderschaften wie der Jurade de Saint-Emilion und den Chevaliers du Tastevin und, in einer angemessen sichtbaren Position, mit einem Dank- und Anerkennungsschreiben aus dem Élysée-Palast, unterzeichnet vom Präsidenten der Republik höchstselbst. Wie sein Chef schien auch Florian Vial einer kleinen Selbstförderungskampagne nicht abgeneigt zu sein.
    Sophie ließ die Galgenvogel-Galerie hinter sich und blieb vor einem langen und breiten Regal stehen, das mit alkoholischen Antiquitäten angefüllt war – ungeöffnete Flachen aus den 1800er-Jahren, die Etiketten stockfleckig und verblasst, der Inhalt unergründlich und geheimnisvoll. Ihr Blick blieb an einer Flasche hängen, die einst weißen Bordeaux enthalten hatte, einen 1896er Gradignan mit den sterblichen Überresten eines Weines, der auf einer zwölfeinhalb Zentimeter hohen Schicht aus Sedimentgestein ruhte. Vial riss sich von der Kamera los und veranlasste Sam, sich zu Sophie zu gesellen.

    »Meine sentimentale Ecke«, sagte er. »Ich halte auf Flohmärkten nach solchen Flaschen Ausschau, und wenn ich eine finde, kann ich nicht widerstehen. Natürlich ungenießbar, aber pittoresk, finden Sie nicht?«
    »Faszinierend«, sagte Sophie. »Und das da auch.« Sie deutete auf einen kleinen kupfernen Alambik – ein uraltes (alchimistisches) Destilliergerät, um Traubenmaische in eau-de-vie zu verwandeln -, der in der Ecke stand. »Schauen Sie sich das an, Sam. Gibt es so etwas auch in Kalifornien?«
    Sam schüttelte den Kopf. »Nur als Museumsstück. Funktioniert der noch?«
    Vial erweckte den Anschein, als hätte ihm allein die Vorstellung einen Schock versetzt. »Sehe ich aus wie ein Krimineller, Monsieur? Seit, warten Sie, seit 1916 ist es Privatpersonen gesetzlich verboten, ihre eigenen, wie heißt es bei Ihnen … schwarzgebrannten Spirituosen herzustellen.« Er erlaubte sich ein Zwinkern und ein zufriedenes Lächeln, weil ihm der entsprechende Begriff in einer Fremdsprache eingefallen war. »Und nun werde ich Ihnen zeigen, wie man sich in meiner kleinen Stadt zurechtfindet.« Er kehrte in seine Ausgangsposition zurück und deutete mit dem Arm auf eine Karte, die an der Wand hinter seinem Schreibtisch hing.
    Von Hand gezeichnet, ungefähr einen halben Meter hoch und knapp einen Meter lang, zeigte sie den Weinkeller aus der Vogelperspektive mitsamt den Namen der darin befindlichen Straßen in makelloser, gestochener Handschrift. Rund um die Karte, neben dem schlichten vergoldeten Rahmen, befand sich eine weitere Umrandung aus bunten Miniaturkorkenziehern, ein jeder mit

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