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Ein diebisches Vergnügen

Ein diebisches Vergnügen

Titel: Ein diebisches Vergnügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Mayle
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Ferne kaum noch hören. Er nahm eine Flasche Lafite aus ihrer Ruhestätte und bettete sie behutsam auf den Kiesboden, mit dem Etikett nach oben. Sich über die Flasche kauernd, fotografierte
er sie, wobei er jede Aufnahme überprüfte, um sicherzugehen, dass sowohl der Name als auch das Datum lesbar waren, bevor er sie wieder an ihren angestammten Platz zurückstellte. Gleichermaßen verfuhr er mit dem Latour und dem Margaux.
    Er zog die Karte zurate und suchte die Rue Saint-Emilion. Da war sie, unmittelbar neben der Rue Pomerol, die geografische Lage der Weingärten widerspiegelnd. Vom 1982er Figeac war reichlich vorhanden. Im Grunde war von allem reichlich vorhanden, wohin sein Blick auch fiel, und er fragte sich, wie ein einzelner Mensch das alles trinken konnte, bevor er die letzte Reise in paradiesische Gefilde antrat, wo der Nektar in Strömen floss. Vielleicht standen einige begehrliche kleine Rebouls bereits Schlange, um das Erbe anzutreten. Sam hoffte es zumindest. Es wäre traurig, wenn diese einzigartige Sammlung auseinandergerissen und in irgendwelchen Auktionsräumen landen würde.
    Er eilte nach nebenan, zu den Pomerols. Eines der unteren Behältnisse war den 1970er Magnumflaschen Château Petrus vorbehalten. Er zählte sie: zwanzig, eine verhältnismäßig bescheidene Anzahl, wenn man Rebouls Maßstäbe zugrunde legte. Mit beiden Händen, eine auf dem Verschluss, die andere am Boden, nahm er eine Magnum heraus und legte sie auf den Kies, wobei er die fantasievolle Gestaltung des Etiketts bewunderte. Der Künstler hatte, zwischen Weinreben geschmiegt, ein kleines Bildnis vom heiligen Petrus mit seinem Schlüssel eingefügt – dem Himmelsschlüssel. Oder wie manche behaupteten, dem Schlüssel zum Weinkeller des Châteaus.
    Als er die Magnumflasche fotografiert hatte, legte Sam sie widerstrebend, wenngleich mit einer gewissen Befriedigung in ihr Behältnis zurück. Er hatte sämtliche Rotweine auf seiner Liste entdeckt – und den Beweis für seinen Fund. Der
einzige Wein, nach dem er noch Ausschau halten musste, war der 1975er Yquem, der sich auf der entgegengesetzten Seite des Kellers befand.
    Er kehrte zum zentralen Boulevard zurück und versuchte abzuschätzen, wie weit sich Sophie und Vial von ihrem ersten Zwischenstopp in der Champagnerregion entfernt haben mochten. Nach der Lautstärke von Vials Abhandlung zu urteilen, hielten sie sich noch irgendwo in der sanften Hügellandschaft zwischen Corton-Charlemagne und Chablis auf. Yquem stand als Letztes auf der Liste. Er hatte also Zeit.
    Mit einem unguten Gefühl, denn er verschaffte sich ja unbefugt Zutritt, betrat er die Impasse d’Yquem, den letzten Bereich des Kellers vor Vials Büro.
    Wie Sam im Zuge seiner Recherchen festgestellt hatte, wurde der Château d’Yquem oft als teuerster Wein der Welt beschrieben. Im Lauf seiner langen Geschichte zog er so unterschiedliche Verehrer wie Thomas Jefferson, Napoléon, die russischen Zaren, Stalin, Ronald Reagan und Prinz Charles in seinen Bann. Sie alle schwärmten für seine leuchtend goldene Farbe und seinen üppigen, cremigen Geschmack. Das berühmte Weingut bringt weniger als achtzigtausend Flaschen im Jahr heraus, ein Tropfen auf den heißen Stein und nur ein Bruchteil der Jahresproduktion, mit denen die Weingüter in Bordeaux aufwarten. Und der Wein hält sich fantastisch. Eine Flasche des Jahrgangs 1784 wurde zweihundert Jahre später geöffnet, getrunken und von einer Gruppe ausgewiesener Kenner als perfekt deklariert.
    Die Yquem-Sammlung war vielleicht das Prunkstück dieses Weinkellers, nicht etwa wegen ihres Umfangs – der Bestand umfasste kaum mehr als hundert Flaschen -, sondern wegen der Bandbreite der vielen unterschiedlichen Jahrgänge. Hier waren einige der legendären Jahrgänge vertreten,
angefangen bei den 1937ern, denen die 1945er, 1949er, 1955er und 1967er folgten, wobei die 1975er das Schlusslicht bildeten. Sam Levitt wählte eine Flasche aus, fotografierte sie und hatte sie gerade zu den anderen 1975ern zurückgestellt, als er erstarrte. Vials Stimme klang bedrohlich nahe.
    »Chablis, versteht sich, einer der bekanntesten Weißweine der Welt. Aber Chablis ist nicht Chablis.«
    »Ah bon?«, erwiderte Sophie, der es gelang, diese beiden kleinen Silben mit einem faszinierten und überraschten Unterton zu befrachten.
    » Mais oui. Was wir hier vor uns sehen, ist das Beste vom Besten, die grands crus , die Weine, die aus den Hügeln im Norden der Stadt stammen. Zum Beispiel dieser

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