Ein diebisches Vergnügen
Mordorée.« Er legte die Fingerspitzen zusammen und küsste sie. »Lassen Sie sich dadurch nicht vom Reden abhalten.«
»Danke. Also, zuerst die guten Neuigkeiten: Wir haben sechs Weine aus bestimmten Jahren gesucht, und ich bin fündig geworden. Sie befinden sich alle in Rebouls Sammlung, und dank Sophies Ablenkungsmanöver konnte ich sie auch fotografieren.« Sam tippte auf die Kamera. »Aber es besteht kein Grund zu jubeln. Es ist ein Lichtblick, mehr noch nicht. Das Problem ist, dass von jedem dieser Weine jährlich mehr als hunderttausend Flaschen erzeugt wurden, mit Ausnahme des Yquem. Und selbst dort betrug die Produktion rund achtzigtausend Flaschen. An Weinen dieses Jahrgangs herrscht folglich kein Mangel, und Rebouls Sammlung könnte im Lauf der Zeit auf völlig legalem Weg erworben worden sein. Verstehen Sie? Wenn Vial seine Unterlagen genauso akribisch führt wie seinen Weinkeller, sollte er theoretisch für alle Flaschen Belege vorweisen können. Doch genau das ist unser nächstes Problem: Wir können ihn schlecht bitten, uns die Belege zu zeigen, ohne unsere Tarnung auffliegen zu lassen. Außerdem sollten wir nie vergessen, dass Reboul seinen Reichtum nicht erworben hat, weil er auf den Kopf gefallen ist. Falls er tatsächlich unser Mann sein sollte, können Sie Haus und Hof darauf verwetten, dass er sich gefälschte Unterlagen
beschafft hat, um die Transaktionen zu verschleiern und behaupten zu können, er habe den Wein in gutem Glauben gekauft. Liechtenstein, Nassau, Hongkong, die Kaimaninseln – er hätte den Vorgang über jedes dieser Steuerparadiese abwickeln können. Es gibt unzählige obskure kleine Firmen in aller Welt, die imstande sind, jedes gewünschte Dokument zu liefern, gegen das entsprechende Entgelt, versteht sich. Danach verschwinden sie von der Bildfläche. Sie aufzuspüren kann Jahre dauern. Fragen Sie das Finanzamt.« Sam hielt inne, um den Wein zu probieren.
Philippe schien merklich in sich zusammenzufallen. »Das war’s also«, erwiderte er seufzend. »Keine schlagzeilenträchtige Story.«
»Es ist noch nicht vorbei«, entgegnete Sam, und nun lächelte er. »Den ganzen Tag spukte mir etwas im Hinterkopf herum, und gerade ist es mir eingefallen.« Er blätterte in den Papieren, die vor ihm lagen, und zog eine Fotokopie heraus. »Das ist ein Artikel über Roths Weinsammlung, erschienen in der L.A.Times . Er wurde von der Herald Tribune aufgegriffen, die weltweit erscheint. Auf diesem Weg hätten Weinliebhaber in aller Herren Länder Wind davon bekommen können.« Er deutete auf das größte Foto, ein wenig verwischt, aber einigermaßen erkennbar. »Das ist Roth. Und sehen Sie, was er in der Hand hält?«
Philippe warf einen Blick auf das Bild. »Petrus. Sieht wie eine Magnumflasche aus.«
»Richtig. Können Sie die Jahreszahl auf dem Etikett entziffern?«
Philippe nahm die Fotokopie in die Hand, um sie genauer in Augenschein zu nehmen. »1970?«
»Genau. Das ist eine der Flaschen, die gestohlen wurden, und Roth hält sie mit beiden Händen fest, als gelte es sein
Leben. Seine Fingerabdrücke müssten überall sein. Fingerabdrücke haben eine besondere Eigenschaft: Sie halten sich am besten in einer Umgebung mit hoher Luftfeuchtigkeit, und der Feuchtigkeitsgehalt in einem professionellen Keller wie dem von Reboul dürfte bei etwa achtzig Prozent liegen. Das ist perfekt. Unter solchen Bedingungen können Fingerabdrücke auf Glas noch Jahre später sichergestellt werden. Vorausgesetzt, niemand wischt die Flaschen ab. Falls sich Roths Fingerabdrücke auf einigen Magnumflaschen in Roths Keller befinden, würde ich das als Indiz für einen Diebstahl betrachten.«
Am Tisch herrschte Schweigen, es dauerte seine Zeit, bis diese Neuigkeiten verdaut waren.
»Sam, da wäre noch etwas.« Sophie stöberte in Rebouls Dossier. Sie holte ein Bild hervor, das ihn vor seinem Privatjet zeigte. »Es fiel mir ein, als ich mir mit Vial die Flaschen angeschaut habe. Wenn Sie eine Menge Wein von Kalifornien nach Marseille schaffen möchten, ohne eine Spedition einzuschalten, wäre es dann nicht, sagen wir, bequem, ein eigenes Flugzeug für den Transport zu benutzen?«
Sam schüttelte den Kopf, fassungslos, weil er nicht selbst auf etwas so Offensichtliches gekommen war. »Natürlich! Privatjets haben VIP-Status, erhalten bei der Abfertigung in der Regel eine Vorzugsbehandlung. Eingeschränkte Formalitäten bei der Ausreise aus den USA, und vermutlich keinerlei Kontrollen für den Lokalmatador,
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