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Ein diplomatischer Zwischenfall

Ein diplomatischer Zwischenfall

Titel: Ein diplomatischer Zwischenfall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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nachdenklich den Korridor entlang zu dem ihm angewiesenen Zimmer, wo der unerschütterliche George bereits Poirots Abendanzug zurechtgelegt hatte.
    »Mein guter George«, sagte Poirot kurz darauf, »beim Essen treffe ich hoffentlich einen Herrn, der meine Neugierde in hohem Maße reizt. Es ist ein Mann, der aus den Tropen heimgekehrt ist, George. Mit einem Tropenkoller – wie man zu sagen pflegt. Ein Mann, über den Parsons gern mit mir sprechen möchte, den Lily Margrave aber nicht erwähnt. Der verstorbene Sir Reuben hatte seinen eigenen Koller. Wenn zwei solche Bollerköpfe aneinandergeraten, dann müsste doch – wie sagt man hier zu Lande? – das Fell fliegen, was?«
    »›Die Fetzen fliegen‹ ist der korrekte Ausdruck, Sir, und das ist auch nicht immer der Fall. Keineswegs.«
    »Nein?«
    »Nein, Sir. Ich denke dabei an meine Tante Jemima. Eine böse Keifzange war das! Hackte dauernd auf ihrer Schwester herum – ganz fürchterlich! Hat sie beinahe zu Tode gequält mit ihrem ewigen Gezeter. Lief ihr aber jemand über den Weg, der ihr mit gleicher Münze heimzahlte, dann war sie auf einmal ganz anders. Nur sanfte Menschen konnte sie nicht um sich haben.«
    »Ha«, rief Poirot aus, »das bringt mich auf eine Idee.«
    George räusperte sich diskret.
    »Kann ich irgendetwas tun«, fragte er mit großem Taktgefühl, »um Ihnen behilflich zu sein?«
    »Ja, gewiss«, erwiderte Poirot prompt. »Sie können für mich ausfindig machen, welche Farbe das Abendkleid hatte, das Lily Margrave an jenem Abend trug, und welches Hausmädchen sie bedient.«
    George nahm diese Aufträge mit seiner gewohnten Seelenruhe entgegen.
    »Sehr wohl, Sir. Morgen Früh werde ich Sie darüber informieren.«
    Poirot erhob sich aus seinem Sessel und starrte in die Glut des Kaminfeuers.
    »Sie tun mir gute Dienste, George«, murmelte er. »Wissen Sie was? Ich werde Ihre Tante Jemima nicht vergessen.«
     
    Poirots Erwartung, Victor Astwell am Abend zu treffen, erfüllte sich letzten Endes doch nicht. Er telefonierte, er sei gezwungen, in London zu bleiben.
    »Er kümmert sich wohl um die Angelegenheiten Ihres verstorbenen Gatten, nicht wahr?«, fragte Poirot Lady Astwell.
    »Victor ist Teilhaber. Er ging nur nach Afrika, um einige Minenkonzessionen für die Firma zu prüfen. Es handelte sich doch um Minen, nicht wahr, Lily?«
    »Ja, Lady Astwell.«
    »Goldminen, glaube ich, oder waren es Kupfer- oder Zinnminen? Sie sollten das eigentlich wissen, Lily. Sie haben Sir Reuben doch dauernd darüber ausgefragt. Oh, vorsichtig! Beinahe hätten Sie die Vase umgestoßen!«
    »Schrecklich heiß hier drinnen mit dem Feuer«, sagte Lily. »Darf ich – darf ich das Fenster ein wenig öffnen?«
    »Wenn Sie wollen, liebe Lily«, sagte Lady Astwell ruhig.
    Poirot beobachtete das junge Mädchen, als es zum Fenster ging und es öffnete. Sie blieb ein paar Minuten am offenen Fenster stehen und atmete in tiefen Zügen die kühle Nachtluft ein. Nachdem sie ihren Platz wieder eingenommen hatte, sagte er höflich zu ihr:
    »Mademoiselle interessiert sich also für Minen?«
    »Oh, nicht besonders«, sagte sie gleichgültig. »Ich habe zugehört, wenn Sir Reuben davon sprach. Aber ich kenne mich nicht darin aus.«
    »Dann haben Sie es aber gut verstanden, Interesse vorzutäuschen«, sagte Lady Astwell. »Sir Reuben glaubte doch tatsächlich, Sie verfolgten einen bestimmten Zweck mit all den Fragen.«
    Der kleine Detektiv hatte nicht vom Feuer aufgesehen, in das er unverwandt starrte, und doch entging es ihm nicht, dass Lily Margraves Gesicht vor Ärger ganz rot wurde. Taktvoll wechselte er das Thema. Als es Zeit wurde, gute Nacht zu sagen, fragte Poirot seine Gastgeberin:
    »Kann ich mit Ihnen unter vier Augen sprechen, Madame?«
    Lily Margrave zog sich diskret zurück, und Lady Astwell sah den Detektiv fragend an.
    »Sie waren wohl die letzte Person, die Sir Reuben an jenem Abend lebend gesehen hat?«
    Sie nickte, und ihre Augen füllten sich mit Tränen, die sie hastig mit einem schwarz umrandeten Taschentuch abwischte.
    »Seien Sie doch nicht traurig, ich bitte Sie, Madame, regen Sie sich nicht auf.«
    »Es ist alles ganz gut und schön, Monsieur Poirot, aber ich kann nun mal nichts dafür.«
    »Es ist unverzeihlich von mir, Sie so zu quälen.«
    »Nein, nein, fahren Sie nur fort. Was wollten Sie sagen?«
    »Es war wohl ungefähr elf Uhr, als Sie ins Turmzimmer kamen und Sir Reuben den Sekretär entließ, Stimmt’s?«
    »Es muss um die Zeit gewesen sein.«
    »Wie

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