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Ein diplomatischer Zwischenfall

Ein diplomatischer Zwischenfall

Titel: Ein diplomatischer Zwischenfall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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lange waren Sie bei ihm?«
    »Es war gerade ein Viertel vor zwölf, als ich in mein Zimmer kam. Ich erinnere mich, dass ich auf die Uhr sah.«
    »Lady Astwell, wollen Sie mir sagen, worüber Sie sich mit Ihrem Gatten unterhalten haben?«
    Lady Astwell sank aufs Sofa und brach völlig zusammen. Sie fing heftig an zu schluchzen.
    »Wir haben uns ge-zankt«, stöhnte sie.
    »Worüber denn?«, drängte Poirot sie mit sanfter Stimme.
    »Ü-über vieles. M-m-mit L-Lily fing es an. Reuben hatte plötzlich eine Abneigung gegen sie gefasst – ohne jeden Grund – und behauptet, er habe sie dabei ertappt, wie sie in seinen Papieren herumschnüffelte. Er wollte sie sofort entlassen. Ich sagte ihm aber, sie sei ein nettes Mädchen, und so etwas käme gar nicht infrage. Dann b-brüllte er mich an. Das ließ ich mir natürlich nicht bieten und sagte ihm gründlich meine Meinung.
    Ich habe das natürlich nicht so gemeint, Monsieur Poirot, und dann sagte er noch, er habe mich aus der Gosse gezogen, um mich zu heiraten, und ich sagte – ach, was nützt das jetzt alles noch? Ich werde mir ewig Vorwürfe machen. Sie wissen ja, wie es ist, Monsieur Poirot, ich habe zwar immer gesagt, ein guter Streit reinigt die Luft, aber wie konnte ich ahnen, dass jemand ihn noch in derselben Nacht ermorden würde? Armer alter Reuben!«
    Poirot hatte sich den ganzen Ausbruch teilnahmsvoll angehört.
    »Ich habe Ihnen Qual verursacht«, sagte er, »das tut mir leid. Aber nun wollen wir einmal ganz sachlich und praktisch sein. Halten Sie immer noch an Ihrer Idee fest, dass Mr Trefusis Ihren Gatten ermordet hat?«
    Lady Astwell richtete sich kerzengerade auf.
    »Der Instinkt einer Frau, Monsieur Poirot«, sagte sie in feierlichem Ton, »irrt sich niemals.«
    »Ganz recht, ganz recht«, erwiderte Poirot. »Wann hat er es aber getan?«
    »Wann? Nachdem ich meinen Gatten verlassen hatte, natürlich.«
    »Sie haben Sir Reuben ein Viertel vor zwölf verlassen. Um fünf Minuten vor zwölf kam Mr Leverson nachhause. In den zehn Minuten soll also der Sekretär aus seinem Schlafzimmer ins Turmzimmer gegangen sein und ihn ermordet haben?«
    »Das ist sehr gut möglich.«
    »So vieles ist möglich«, sagte Poirot. »Es kann natürlich in zehn Minuten erledigt werden. O ja! Ist es aber so gewesen?«
    »Er behauptet natürlich, er sei im Bett gewesen und habe fest geschlafen«, sagte Lady Astwell. »Aber wer weiß denn, ob das wahr ist?«
    »Niemand hat gesehen, dass er auf war«, erinnerte sie Poirot.
    »Natürlich nicht; denn jeder lag in tiefem Schlaf«, sagte Lady Astwell triumphierend.
    »Wer weiß?«, murmelte Poirot vor sich hin.
    Kurze Pause.
    »Eh bien, Lady Astwell, ich wünsche Ihnen eine gute Nacht.«
     
    George brachte seinem Herrn den Morgenkaffee ans Bett.
    »Miss Margrave, Sir, trug in der fraglichen Nacht ein Abendkleid aus hellgrünem Chiffon.«
    »Danke, George, Sie sind äußerst zuverlässig.«
    »Das dritte Hausmädchen sorgt für Miss Margrave, Sir. Sie heißt Gladys.«
    »Danke, George, Sie sind nicht mit Gold zu bezahlen.«
    »Keine Ursache, Sir.«
    »Ein schöner Tag heute«, meinte Poirot und blickte zum Fenster hinaus. »Wahrscheinlich wird niemand sehr früh aufstehen. Ich denke, mein guter George, wir werden das Turmzimmer ganz für uns haben, wenn wir uns dorthin begeben, um ein kleines Experiment zu machen.«
    »Brauchen Sie mich dazu, Sir?«
    »Das Experiment«, sagte Poirot, »wird nicht schmerzhaft sein.«
    Als sie im Turmzimmer ankamen, waren die Vorhänge noch zugezogen. George wollte sie gerade zurückschlagen, aber Poirot winkte ab.
    »Wir wollen das Zimmer so lassen, wie es ist. Schalten Sie bitte die Schreibtischlampe ein.« Der Diener gehorchte.
    »Nun setzen Sie sich mal auf den Stuhl dort, mein guter George. Tun Sie so, als ob Sie schrieben. Très bien. Ich werde nun eine Keule ergreifen, mich von hinten an Sie heranpirschen und Ihnen einen Schlag auf den Hinterkopf versetzen.«
    »Jawohl, Sir«, sagte George unerschütterlich.
    »Ah«, sagte Poirot, »wenn ich zuschlage, müssen Sie aufhören zu schreiben. Ich kann natürlich nicht dieselbe Kraft anwenden wie Sir Reubens Mörder. Das verstehen Sie ja wohl. Wenn der kritische Moment kommt, müssen wir so tun als ob. Ich schlage Sie auf den Kopf und Sie brechen zusammen, die Arme ganz entspannt, den Körper ganz locker. Gestatten Sie mal, so… aber nein, nicht die Muskeln so verkrampfen!«
    Er stieß einen Seufzer der Verzweiflung aus.
    »Hosen bügeln Sie ausgezeichnet,

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