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Ein diplomatischer Zwischenfall

Ein diplomatischer Zwischenfall

Titel: Ein diplomatischer Zwischenfall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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George, aber Fantasie besitzen Sie nicht. Stehen Sie auf. Ich übernehme Ihre Rolle.«
    Poirot setzte sich selbst an den Schreibtisch.
    »Ich schreibe«, erklärte er, »ich schreibe sehr eifrig. Sie schleichen sich von hinten an mich heran und schlagen mir eins mit der Keule auf den Kopf. Bums! Die Feder fällt mir aus der Hand. Ich falle vornüber, aber nicht sehr weit; denn der Stuhl ist niedrig und der Tisch hoch. Außerdem stützen mich meine Arme. Seien Sie so gut, George, und gehen Sie zurück zur Tür. Bleiben Sie dort stehen und sagen Sie mir, was Sie sehen.«
    »Ahem!«
    »Ja, George?«, rief Poirot aufmunternd.
    »Ich sehe Sie am Tisch sitzen, Sir.«
    »Am Tisch sitzen?«
    »Es ist nicht ganz einfach, Sie deutlich zu sehen, Sir«, erklärte George. »Die Entfernung ist sehr groß und die Lampe hat einen so dunklen Schirm. Wenn ich vielleicht das Oberlicht andrehen dürfte, Sir?«
    Seine Hand tastete nach dem Schalter.
    »Auf keinen Fall«, sagte Poirot scharf. »Wir kommen auch so gut zurecht. Ich hier über den Tisch gebeugt und Sie dort an der Tür. Kommen Sie jetzt auf mich zu, George, und legen Sie mir die Hand auf die Schulter.«
    George gehorchte.
    »Lehnen Sie sich ein wenig auf mich, George, als wären Sie nicht ganz sicher auf den Füßen. Ah, voilà.«
    Hercule Poirot ließ seinen schlaffen Körper kunstgerecht zur Seite gleiten.
    »Ich falle – so!«, bemerkte er. »Ja, das habe ich fein ausgetüftelt. Jetzt aber steht eine hoch wichtige Sache auf dem Programm!«
    »Wirklich, Sir?«
    »Ja, ich muss mir unbedingt ein gutes Frühstück einverleiben.«
    Der kleine Mann lachte herzhaft über seinen eigenen Scherz.
    »Der Magen, George, darf niemals ignoriert werden.«
    George bewahrte ein missbilligendes Schweigen. Poirot lachte glücklich vor sich hin, als er die Treppe hinunterstieg. Er war ganz zufrieden mit der Entwicklung der Dinge. Nach dem Frühstück suchte er Gladys, das dritte Hausmädchen, auf und machte sich mit ihr bekannt. Alles, was sie ihm über das Verbrechen erzählen konnte, interessierte ihn sehr. Für Charles hatte sie sehr viel übrig, obwohl sie an seiner Schuld nicht zweifelte.
    »Der arme junge Herr, Sir, es ist wirklich hart für ihn, besonders, wo er doch in jener Nacht nicht so recht bei Sinnen war.«
    »Er und Miss Margrave hätten sich als die einzigen beiden jungen Leute im Haus doch eigentlich gut vertragen müssen?«
    Gladys schüttelte den Kopf.
    »Sehr zurückhaltend war Miss Lily ihm gegenüber. Sie wünschte keine Annäherungsversuche. Das hat sie ihm ganz klar und deutlich zu verstehen gegeben.«
    »Er mochte sie wohl ganz gern, wie?«
    »Och, nur so nebenbei. Nichts Ernsthaftes, Sir. Aber Mr Victor Astwell, der ist richtig in Miss Lily verschossen.«
    Sie kicherte.
    »Vraiment?«
    Gladys kicherte wieder.
    »Gleich von Anfang an hat es ihn gepackt. Miss Lily ist ja auch wirklich wie eine Lilie, nicht wahr? So groß und schlank und solch eine entzückende Haarfarbe!«
    »Sie müsste eigentlich ein grünes Abendkleid tragen«, sagte Poirot sinnend. »Es gibt da ein ganz bestimmtes Grün – «
    »Sie hat eins, Sir«, sagte Gladys. »Natürlich kann sie es jetzt nicht tragen, wo wir in Trauer sind, aber sie trug es an dem Abend, als Sir Reuben starb.«
    »Es müsste ein Hellgrün sein, kein Dunkelgrün«, fuhr Poirot unbeirrt fort.
    »Es ist auch hellgrün, Sir. Wenn Sie eine Minute Zeit haben, will ich es Ihnen zeigen. Miss Lily ist gerade mit den Hunden ausgegangen.«
    Poirot nickte. Er wusste das genauso gut wie Gladys. Hatte er sich doch erst über Lilys Abwesenheit vergewissert, bevor er sich auf die Suche nach dem Hausmädchen machte. Gladys eilte fort und kehrte wenige Minuten später mit dem grünen Abendkleid auf einem Bügel zurück.
    »Ausgezeichnet«, murmelte Poirot und schlug vor Bewunderung die Hände zusammen. »Gestatten Sie, dass ich es einen Augenblick bei Licht betrachte?«
    Er nahm Gladys das Kleid ab, drehte ihr den Rücken zu und eilte damit ans Fenster. Dort beugte er sich kurz über das Kleid und hielt es dann in Armeslänge von sich.
    »Es ist einfach vollkommen«, erklärte er, »direkt bezaubernd! Tausend Dank, dass Sie es mir gezeigt haben.«
    »Es war mir ein Vergnügen, Sir. Wir wissen ja, dass Franzosen sich sehr für Damenkleider interessieren.«
    »Zu liebenswürdig von Ihnen«, murmelte Poirot.
    Seine Augen folgten ihr, als sie mit dem Kleid wieder davoneilte. Dann blickte er lächelnd auf seine Hände hinab. In der Rechten hielt

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