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Ein diplomatischer Zwischenfall

Ein diplomatischer Zwischenfall

Titel: Ein diplomatischer Zwischenfall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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als Erzähler ganz wichtig vor, und Poirot half tüchtig nach.
    »Mon Dieu«, murmelt er, »wie muss Ihnen bloß dabei zu Mute gewesen sein!«
    »Das kann man wohl sagen, Sir. Erst dachte ich mir ja nicht viel dabei. Dann aber schien mir die Sache nicht ganz geheuer, und ich dachte, es sei doch wohl besser, ich stehe auf und sehe nach. In knipste das Licht an und stieß leider dabei einen Stuhl um. Dann ging ich durch das Dienstbotenzimmer auf den Flur, von dem die Hintertreppe nach oben führt. Als ich einen Augenblick zögernd am Fuße der Treppe stand, hörte ich Mr Leversons Stimme von oben. ›Zum Glück nochmal gut gegangen! Gute Nacht!‹, sagte er, und es klang ganz heiter und herzlich. Dann ging er pfeifend den Korridor entlang zu seinem Zimmer. Ich ging natürlich sofort wieder zu Bett. Etwas umgefallen, dachte ich, das ist alles. Nun frage ich Sie, Sir, wie konnte ich denn ahnen, dass Sir Reuben ermordet worden war, wo Mr Leverson doch noch Gute Nacht gesagt hatte?«
    »Sind Sie sicher, dass es Mr Leversons Stimme war, die Sie gehört hatten?«
    Parsons sah den kleinen Belgier mitleidsvoll an, und Poirot erkannte deutlich, dass Parsons darauf bestehen würde, komme, was wolle.
    »Möchten Sie sonst noch was von mir wissen, Sir?«
    »Ja, ich habe noch eine Frage: Ist Ihnen Mr Leverson sympathisch?«
    »Wie meinen Sie das, Sir?«
    »Es ist eine einfache Frage. Ist Ihnen Mr Leverson sympathisch?«
    Parsons, den die Frage zuerst stutzig gemacht hatte, schien nun etwas verlegen.
    »Im Dienstbotenzimmer herrscht die Meinung – «, begann er und hörte gleich wieder auf.
    »Ganz recht, drücken Sie es nur so aus, wenn Ihnen das lieber ist«, sagte Poirot.
    »Wie gesagt, dort ist man der Ansicht, dass Mr Leverson ein freigebiger junger Mann ist, aber nicht – wenn ich mich so ausdrücken darf – besonders intelligent, Sir.«
    »Aha«, sagte Poirot, »wissen Sie was, Parsons, genau so schätze ich Mr Leverson ein, obwohl ich ihn noch gar nicht gesehen habe.«
    »Wirklich, Sir?«
    »Was halten Sie – Verzeihung – was hält das Dienstbotenzimmer von dem Sekretär?«
    »Er ist sehr ruhig und geduldig, Sir, immer darauf bedacht, keine Mühe zu verursachen.«
    »Vraiment«, sagte Poirot.
    Der Butler räusperte sich.
    »Ihre Ladyship, Sir«, murmelte er, »ist oft etwas hastig in ihrem Urteil.«
    »Dann hat also nach Ansicht des Dienstbotenzimmers Mr Leverson das Verbrechen begangen?«
    »Keiner von uns möchte Mr Leverson für den Täter halten«, sagte Parsons. »Wir haben ihm – offen gestanden – gar nicht zugetraut, dass er so etwas überhaupt fertig brächte, Sir.«
    »Er hat aber doch ein ziemlich hitziges Temperament, nicht wahr?«, fragte Poirot.
    Parsons kam etwas näher.
    »Wenn Sie mich fragen, wer das hitzigste Temperament im Hause hatte – «
    Poirot hob die Hand.
    »Ah! Aber diese Frage würde ich nicht stellen«, sagte er leise. »Meine Frage würde lauten: Wer hat das sanfteste Temperament?«
    Parsons starrte ihn mit offenem Munde an.
    Poirot verschwendete keine Zeit mehr mit ihm. Mit einer kleinen liebenswürdigen Verbeugung – er war stets liebenswürdig – verließ er das Zimmer und wanderte in die große viereckige Halle von »Mon Repos«. Hier stand er ein paar Minuten in Gedanken versunken. Dann vernahm er ein leises Geräusch und reckte den Hals wie ein keckes Rotkehlchen. Schließlich ging er auf leisen Sohlen auf eine der vielen Türen zu.
    Er stand im Türrahmen und sah in ein kleines Zimmer, das wie eine Bibliothek ausgestattet war. An einem großen Schreibtisch im Hintergrund des Zimmers saß ein dünner, blasser junger Mann mit zurückweichendem Kinn, der einen Kneifer auf der Nase trug und eifrig am Schreiben war.
    Poirot beobachtete ihn eine Weile. Dann räusperte er sich etwas theatralisch, um sich bemerkbar zu machen.
    Der junge Mann am Tisch hörte auf zu schreiben und drehte sich um. Er schien nicht übermäßig erschrocken zu sein, aber er blickte etwas bestürzt drein, als er Poirot in der Tür sah.
    Dieser trat nun mit einer kleinen Verbeugung ins Zimmer.
    »Ich habe wohl die Ehre, mit Mr Trefusis zu sprechen, ja? Mein Name ist Poirot, Hercule Poirot. Vielleicht haben Sie schon von mir gehört.«
    »O ja – hm, ja, gewiss«, sagte der junge Mann.
    Poirot sah ihn aufmerksam an.
    Owen Trefusis war ungefähr dreiunddreißig Jahre alt, und der Detektiv sah auf den ersten Blick, warum niemand geneigt war, Lady Astwells Anschuldigung ernst zu nehmen. Mr Owen Trefusis war ein

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