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Ein diplomatischer Zwischenfall

Ein diplomatischer Zwischenfall

Titel: Ein diplomatischer Zwischenfall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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ihn am Abend noch sehen, um ihm zu sagen, wie die Aktien standen. Ich ging wohl in mein Zimmer, aber nicht zu Bett. Stattdessen ließ ich die Tür offen, setzte mich in einen Sessel und rauchte meine Pfeife. Mein Zimmer ist im zweiten Stock, Monsieur Poirot. Direkt nebenan schläft Charles.«
    »Verzeihen Sie die Unterbrechung – schläft Mr Trefusis auch im selben Stock?«
    Astwell nickte.
    »Ja, sein Zimmer liegt nicht weit von meinem.«
    »Näher zur Treppe?«
    »Nein, entgegengesetzt.«
    In Poirots Augen leuchtete es auf, aber der andere merkte nichts davon und fuhr fort:
    »Wie gesagt, ich wartete auf Charles. Ungefähr um Viertel vor zwölf hörte ich die Haustür zuklappen, aber von Charles war in den nächsten zehn Minuten nichts zu sehen. Als er dann schließlich die Treppe heraufkam, sah ich sofort, dass es keinen Zweck hatte, die Sache an dem Abend zur Sprache zu bringen.«
    Er machte eine viel sagende Geste des Trinkens.
    »Ich verstehe«, murmelte Poirot.
    »Der arme Teufel hatte schwer geladen, konnte nicht mehr geradeaus gehen«, sagte Astwell. »Er war auch totenblass im Gesicht. Damals habe ich es seiner Verfassung zugeschrieben. Heute ist mir natürlich klar, dass er unmittelbar vorher den Mord begangen hat.«
    Poirot warf schnell eine Frage ein:
    »Haben Sie denn keinerlei Geräusch aus dem Turmzimmer gehört?«
    »Nein, aber Sie müssen bedenken, dass ich mich genau am anderen Ende des Hauses befand. Die Wände sind sehr dick, und ich glaube, man würde nicht einmal einen Pistolenschuss von dort hören.«
    Poirot nickte.
    »Ich fragte Charles, ob ich ihm ins Bett helfen solle«, fuhr Astwell fort. »Er sagte aber, er könne alleine fertigwerden, ging in sein Zimmer und schlug die Tür zu. Ich habe mich dann auch ausgezogen und bin zu Bett gegangen.«
    Poirot starrte nachdenklich auf den Teppich.
    »Sind Sie sich dessen bewusst, Mr Astwell«, sagte er schließlich, »dass Ihre Aussage von größter Wichtigkeit ist?«
    »Das mag wohl sein – he, was wollen Sie damit sagen?«
    »Nach Ihrer Aussage sind zehn Minuten verstrichen zwischen dem Zuklappen der Haustür und Leversons Erscheinen auf der Treppe. Er selbst sagt – soweit ich unterrichtet bin, er sei ins Haus gekommen und sofort nach oben zu Bett gegangen. Aber da ist noch etwas anderes. Lady Astwells Anschuldigung gegen den Sekretär ist fantastisch, das gebe ich zu. Aber bisher hat sie sich nicht als unmöglich erwiesen. Doch Ihre Aussage verschafft ihm ein Alibi.«
    »Wieso?«
    »Lady Astwell behauptet, sie habe ihren Gatten um Viertel vor zwölf verlassen. Da der Sekretär um elf Uhr zu Bett gegangen ist, hätte er das Verbrechen nur zwischen Viertel vor zwölf und Charles Leversons Rückkehr begehen können. Wenn Sie nun sagen, Sie haben bei offener Tür gesessen, so konnte er nicht aus seinem Zimmer kommen, ohne von Ihnen gesehen zu werden.«
    »Da haben Sie Recht«, gab der andere zu.
    »Und eine andere Treppe existiert nicht, was?«
    »Nein. Um ins Turmzimmer zu gelangen, hätte er meine Tür passieren müssen, aber er ist nicht vorbeigekommen. Das steht ganz fest. Und überhaupt, Monsieur Poirot, wie ich Ihnen schon sagte, der Mann ist so sanft wie ein Pastor. Das können Sie mir ruhig glauben.«
    »Ja, ja«, sagte Poirot besänftigend, »ich verstehe das alles.«
    Nach einer kleinen Pause hob er wieder an:
    »Und Sie wollen mir wirklich nicht sagen, worüber Sie sich mit Sir Reuben gezankt haben?«
    Astwell wurde dunkelrot im Gesicht.
    »Sie werden nichts aus mir herausbekommen.«
    Poirot blickte zur Decke. »Ich bin immer diskret«, murmelte er, »wenn es sich um eine Dame handelt.«
    Victor Astwell sprang auf.
    »Verdammt noch mal, woher wissen Sie – was wollen Sie damit sagen?«
    »Ich dachte an Miss Lily Margrave.«
    Victor Astwell stand einen Augenblick unschlüssig da. Dann wurde er ruhiger und setzte sich wieder hin.
    »Sie sind mir zu klug, Monsieur Poirot. Es stimmt schon. Lily war der Stein des Anstoßes. Reuben hasste sie wie die Pest. Er hatte irgendetwas über sie ausgespitzelt – gefälschte Referenzen oder dergleichen. Ich selbst glaube ja kein Wort davon.
    Ferner behauptete er, sie schleiche sich nachts heimlich aus dem Hause und treffe sich draußen mit einem Mann. Das ging natürlich zu weit! Mein Gott, ich hab’s ihm vielleicht gegeben! Habe ihm glatt erklärt, dass manch besserer Mann schon aus geringeren Anlässen getötet worden sei. Da hielt er endlich den Mund. Reuben hatte nämlich Angst vor mir, wenn

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