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Ein diplomatischer Zwischenfall

Ein diplomatischer Zwischenfall

Titel: Ein diplomatischer Zwischenfall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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ich richtig loslegte.«
    »Das sollte mich nicht wundern«, murmelte Poirot höflich.
    »Ich halte große Stücke auf Lily Margrave«, fuhr Astwell in einem anderen Tone fort. »Ein durch und durch anständiges Mädchen.«
    Poirot antwortete nichts darauf. Er starrte, anscheinend ganz in Gedanken verloren, vor sich hin. Plötzlich fuhr er aus seiner Grübelei auf.
    »Ich glaube, ich muss eine kleine promenade machen. Gibt’s hier in der Nähe ein Hotel?«
    »Zwei«, sagte Victor Astwell, »das Golfhotel oben am Golfplatz und das Hotel Mitra unten am Bahnhof.«
    »Vielen Dank«, sagte Poirot. »Ja, ich muss ein wenig an die frische Luft – ganz entschieden.«
     
    Das Golfhotel machte seinem Namen alle Ehre. Es stand wirklich am Golfplatz, fast unmittelbar neben dem Klubhaus. Dorthin begab sich Poirot zuerst auf seiner so laut angekündigten »Promenade«. Der kleine Mann hatte eine besondere Art, mit den Leuten umzugehen. Drei Minuten, nachdem er das Golfhotel betreten hatte, steckte er bereits tief in einer höchst eifrigen Unterredung mit der Hotelleiterin, Miss Langdon.
    »Es tut mir leid, Sie belästigen zu müssen, Mademoiselle, aber ich bin nun mal ein Detektiv.« Poirot ging am liebsten immer direkt aufs Ziel los, und in diesem Falle hatte diese Methode auch sofort die gewünschte Wirkung.
    »Ein Detektiv!«, rief Miss Langdon und sah ihn dabei etwas zweifelnd an.
    »Nicht von Scotland Yard«, versicherte ihr Poirot. »Ich bin überhaupt kein Engländer, wie Ihnen vielleicht schon aufgefallen ist. Nein, ich stelle Privatuntersuchungen in der Mordsache von Sir Reuben Astwell an.«
    »Was Sie nicht sagen!« Miss Langdon glotzte ihn erwartungsvoll an.
    »Es stimmt aber!«, sagte Poirot strahlend. »Nur einer so verschwiegenen Seele wie Ihnen vertraue ich dies Geheimnis an. Ich glaube, Mademoiselle, Sie können mir behilflich sein. Können Sie mir wohl sagen, ob einer der Herren, die in der Mordnacht hier wohnten, an jenem Abend vom Hotel abwesend war und erst gegen zwölf oder halb eins zurückkehrte?«
    Miss Langdon riss die Augen noch weiter auf als vorher.
    »Denken Sie etwa – «, hauchte sie.
    »Dass Sie den Mörder hier hatten? Nein, aber ich habe Grund anzunehmen, dass einer Ihrer Gäste einen kleinen Spaziergang in Richtung ›Mon Repos‹ unternommen hat, und bei der Gelegenheit könnte er vielleicht etwas gesehen haben, das ihm zwar belanglos erscheinen, für mich aber von großem Nutzen sein mag.«
    Die Leiterin nickte weise mit dem Kopf und setzte dabei eine Miene auf, als sei sie mit den Annalen der Kriminalistik gründlich vertraut.
    »Ich verstehe das vollkommen. Wollen mal nachschauen, wer damals denn eigentlich bei uns wohnte.«
    Sie zog die Stirn in tiefe Falten, während sie sich offenbar die Namen durch den Kopf gehen ließ und ihrem Gedächtnis hin und wieder mit den Fingern nachhalf.
    »Captain Swann, Mr Elkins, Major Blunt, der alte Mr Benson. Nein, Sir, ich glaube wirklich nicht, dass jemand an dem Abend ausgegangen ist.«
    »Hätten Sie das denn gemerkt?«
    »O ja, Sir, es ist nämlich ganz ungewöhnlich. Ich meine, die Herren gehen wohl zum Essen aus, aber nicht nach dem Essen, weil – nun, weil man hier ja nirgendwo hingehen kann, nicht wahr?«
    Die Attraktionen von Abbots Cross waren Golf, nochmals Golf und abermals Golf.
    »Da haben Sie Recht«, stimmte ihr Poirot zu. »Dann ist also – soweit Sie sich erinnern können – keiner von Ihren Gästen an dem fraglichen Abend ausgegangen?«
    »Captain England und seine Frau waren zum Essen eingeladen.«
    Poirot schüttelte den Kopf.
    »Das hilft mir nicht. Ich will mein Heil mal beim anderen Hotel versuchen, dem ›Mitra‹ – so heißt es doch, nicht wahr?«
    »Ach, das ›Mitra‹«, sagte Miss Langdon. »Von dort aus mögen viele spazieren gegangen sein.«
    Die Verachtung in ihrem Tone war unverkennbar, und Poirot machte sich taktvoll aus dem Staube.
     
    Zehn Minuten später wiederholte er die Szene, diesmal mit Miss Cole, der etwas brüsken Leiterin des »Mitra«. Dies war ein weniger anspruchsvolles Hotel mit niedrigeren Preisen dicht am Bahnhof.
    »Einer der Herren war an jenem Abend noch spät draußen und kam erst gegen halb eins herein, soweit ich mich erinnere«, sagte Miss Cole. »Es war anscheinend eine Gewohnheit von ihm, um die Zeit auszugehen. Vorher war es auch schon ein paar Mal vorgekommen. Wie hieß er doch gleich? Im Augenblick kann ich nicht darauf kommen.«
    Sie zog einen dicken Wälzer zu sich heran und

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