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Ein diplomatischer Zwischenfall

Ein diplomatischer Zwischenfall

Titel: Ein diplomatischer Zwischenfall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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erspare Ihnen Zeit, Monsieur Poirot. Ich weiß sehr wohl, worauf Sie hinauswollen. Meine Stiefmutter hat meinen Vater seines Geldes wegen geheiratet. Ich wohne hier, weil ich kein Geld habe, um anderswo ein Domizil aufzuschlagen. Ich kenne einen Mann, den ich heiraten möchte. Es ist ein armer Mann. Mein Vater sorgte dafür, dass er seinen Posten verlor. Er wünschte nämlich, dass ich eine gute Partie machte – was ja nicht schwer war, da ich seine Erbin sein sollte!«
    »Erben Sie das Vermögen Ihres Vaters?«
    »Ja. Das heißt, er hat Louise, meiner Stiefmutter, eine Viertelmillion Pfund steuerfrei hinterlassen, und es sind noch einige andere Vermächtnisse vorhanden, aber die Universalerbin bin ich.« Sie lächelte plötzlich. »Sie sehen also, Monsieur Poirot, dass ich allen Grund hatte, den Tod meines Vaters herbeizusehnen.«
    »Ich sehe, Mademoiselle, dass Sie den kühlen Verstand und die Intelligenz Ihres Vaters geerbt haben.«
    Nachdenklich meinte sie:
    »Ja, Vater war klug. Man spürte in seiner Gegenwart die gewaltige Triebkraft, die in ihm steckte. Nur hatte sich alles in Kälte und Bitterkeit verwandelt. Alle menschlichen Gefühle waren atrophiert…«
    Hercule Poirot sagte leise vor sich hin: » Grand Dieu, was für ein Dummkopf war ich doch!«
    Joanna Farley wandte sich zum Gehen.
    »Möchten Sie sonst noch etwas wissen?«
    »Zwei kleine Fragen. Diese Zange hier« – er nahm die Faulenzerzange in die Hand – »lag sie immer auf diesem Schreibtisch?«
    »Ja. Vater bückte sich nicht gern.«
    »Und nun die zweite Frage. Konnte Ihr Vater gut sehen?«
    »Oh – er konnte überhaupt nicht sehen – ich meine, nicht ohne seine Brille. Seine Augen waren immer schlecht, schon von Kindheit an.«
    »Aber mit der Brille?«
    »Damit sah er natürlich ganz gut.«
    »Konnte er Zeitungen und Kleingedrucktes lesen?«
    »Doch, ja.«
    »Das wäre alles, Mademoiselle.«
    Sie verließ das Zimmer.
    Poirot murmelte:
    »Ich war ja dumm. Die ganze Zeit über hatte ich es direkt vor der Nase. Aber man sieht ja bekanntlich den Wald vor lauter Bäumen nicht.«
    Noch einmal lehnte er sich aus dem Fenster. Da unten, auf dem schmalen Weg zwischen dem Haus und der Fabrik, sah er einen kleinen, dunklen Gegenstand.
    Hercule Poirot nickte befriedigt und begab sich wieder zurück.
    Die anderen saßen immer noch in der Bibliothek, und Poirot wandte sich an den Sekretär.
    »Mr Cornworthy, ich möchte, dass Sie mir die näheren Umstände schildern, die mit Mr Farleys Aufforderung an mich verknüpft waren. Wann hat Mr Farley, zum Beispiel, den Brief diktiert?«
    »Mittwochnachmittag – gegen halb sechs, soweit ich mich erinnere.«
    »Haben Sie besondere Anweisungen für das Absenden erhalten?«
    »Er bat mich, ihn selbst in den Briefkasten zu werfen.«
    »Und haben Sie das getan?«
    »Ja.«
    »Hat er dem Butler besondere Instruktionen für meinen Empfang erteilt?«
    »Ja. Er ließ Holmes – so heißt der Butler – durch mich bestellen, dass er um neun Uhr dreißig den Besuch eines Herrn erwarte. Der Butler sollte sich nach dem Namen erkundigen und sich auch den Brief zeigen lassen.«
    »Ziemlich seltsame Vorsichtsmaßregeln.«
    Cornworthy zuckte die Achseln. »Mr Farley«, sagte er gemessen, »war ein ziemlich seltsamer Mensch.«
    »Erhielten Sie noch andere Anweisungen?«
    »Ja. Er trug mir auf, mir für diesen Abend frei zu nehmen.«
    »Haben Sie das getan?«
    »Ja, ich bin sofort nach dem Essen ins Kino gegangen.«
    »Wann sind Sie zurückgekehrt?«
    »Gegen ein Viertel nach elf war ich wieder im Haus.«
    »Haben Sie Mr Farley an diesem Abend noch gesehen?«
    »Nein.«
    »Und am nächsten Morgen hat er die Angelegenheit auch nicht erwähnt?«
    »Nein.«
    Poirot wartete einen Augenblick und fuhr dann fort:
    »Als ich kam, wurde ich nicht in Mr Farleys eigenes Zimmer geführt.«
    »Nein. Er ließ Holmes durch mich ausrichten, dass er Sie in mein Zimmer führen solle.«
    »Warum eigentlich? Wissen Sie das?«
    Cornworthy schüttelte den Kopf.
    »Ich habe Mr Farley nie nach dem Grund seiner Anordnungen gefragt«, sagte er trocken. »Das hätte er mir sehr übel genommen.«
    »Hat er Besucher gewöhnlich in seinem eigenen Zimmer empfangen?«
    »Meistens, aber nicht immer. Manchmal sprach er mit ihnen in meinem Zimmer.«
    »War ein besonderer Grund dafür vorhanden?«
    Hugo Cornworthy überlegte.
    »Nein. Ich glaube kaum. Ich habe eigentlich nie darüber nachgedacht.«
    Poirot wandte sich an Mrs Farley.
    »Gestatten Sie, dass ich nach

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