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Ein diplomatischer Zwischenfall

Ein diplomatischer Zwischenfall

Titel: Ein diplomatischer Zwischenfall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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Geschichte dieses seltsamen Traumes erzählt werden! Der Traum spielte eine sehr wichtige Rolle. Er war von ausschlaggebender Bedeutung!
    Ich komme jetzt«, fuhr er fort, »zum zweiten Punkt. Nachdem Mr Farley mir seine Geschichte erzählt hatte, bat ich ihn, mir den Schreibtisch und den Revolver zu zeigen. Er schien sich erheben zu wollen, um mir meine Bitte zu erfüllen, weigerte sich dann aber plötzlich. Warum hat er sich geweigert?«
    Diesmal hatte keiner von ihnen eine Antwort bereit.
    »Ich will die Frage einmal anders formulieren. Was war dort in dem Nebenzimmer, das mir Mr Farley nicht zeigen wollte?«
    Das Schweigen hielt an.
    »Ja«, meinte Poirot, »die Frage ist etwas schwierig. Aber es war ein Grund, ein dringender Grund vorhanden, warum Mr Farley mich im Zimmer seines Sekretärs empfing und sich glattweg weigerte, mich in seinen eigenen Raum zu führen. Es war etwas in diesem Zimmer, das er mich unter keinen Umständen sehenlassen durfte.
    Und nun komme ich zu der dritten unerklärlichen Begebenheit jenes Abends. Gerade als ich mich anschickte fortzugehen, bat Mr Farley mich, ihm den von ihm erhaltenen Brief zurückzugeben. Aus Versehen reichte ich ihm eine Mitteilung meiner Wäscherin, die er prüfend überflog und dann neben sich auf den Tisch legte. Kurz bevor ich den Raum verließ, entdeckte ich meinen Irrtum – und korrigierte ihn. Danach verließ ich das Haus und – ich gebe es unumwunden zu – war völlig ratlos. Die ganze Angelegenheit insbesondere das letzte Vorkommnis – erschien mir völlig rätselhaft.«
    Er blickte die Anwesenden der Reihe nach an.
    »Haben Sie es nicht begriffen?«
    Stillingfleet meinte. »Ich verstehe wirklich nicht, was Ihre Wäscherin damit zu tun hat, Poirot.«
    »Meine Wäscherin«, erklärte Poirot, »spielte eine sehr wichtige Rolle. Diese miserable Person, die dauernd meine Kragen ruiniert, erwies sich zum ersten Mal in ihrem Leben als nützlich. Aber Sie müssen es doch auch erkennen, es starrt einem ja förmlich ins Gesicht. Mr Farley sah sich die Mitteilung an – ein einziger Blick hätte ihm sagen müssen, dass es nicht der richtige Brief war. Und doch hat er nichts gemerkt. Warum? Weil er nicht richtig sehen konnte!«
    Inspektor Barnett fragte scharf:
    »Trug er keine Brille?«
    Hercule Poirot lächelte.
    »Doch«, sagte er. »Er hatte seine Brille auf. Das macht die Sache ja so interessant.«
    Er beugte sich etwas vor.
    »Mr Farleys Traum war sehr wichtig. Sehen Sie, er träumte, dass er Selbstmord begehe. Und ein wenig später hat er tatsächlich Selbstmord begangen. Das heißt, er war allein in einem Zimmer, und der Revolver lag neben ihm. So wurde er jedenfalls aufgefunden. Und niemand hat den Raum betreten oder verlassen, als der Schuss abgegeben wurde. Was bedeutet das? Das bedeutet doch, dass es unbedingt Selbstmord sein muss!«
    »Ja«, sagte Stillingfleet.
    Hercule Poirot schüttelte aber den Kopf.
    »Im Gegenteil«, behauptete er. »Es handelte sich um einen Mord. Einen ungewöhnlichen und sehr schlau geplanten Mord.«
    Wiederum beugte er sich vor und klopfte mit dem Finger auf den Tisch, während seine Augen vor Erregung grün schimmerten.
    »Warum gestattete mir Mr Farley nicht, an jenem Abend sein Zimmer zu betreten? Was war darin, das ich um keinen Preis sehen durfte? Ich glaube, liebe Freunde, es war – Benedict Farley selber!«
    Er lächelte die perplexen Gesichter an.
    »Ja, ja, es ist kein Unsinn, den ich daherrede. Warum konnte Mr Farley, mit dem ich gesprochen hatte, den Unterschied zwischen zwei völlig unähnlichen Briefen nicht erkennen? Weil er, liebe Freunde, ein Mann mit normalem Sehvermögen war, der sehr starke Gläser trug. Solche Gläser machen einen Menschen mit normaler Sehfähigkeit praktisch blind. Stimmt das nicht, Doktor?«
    Stillingfleet murmelte: »Gewiss – da haben Sie Recht.«
    »Warum hatte ich bei der Unterredung mit ihm das Gefühl, dass ich es mit einem Scharlatan zu tun hatte, mit einem Schauspieler, der eine Rolle spielte? Betrachten wir zunächst die Szenerie – den dämmrigen Raum und die mit einem grünen Schirm bedeckte Lampe, deren grelles Licht von der Gestalt im Sessel abgewandt und dem Besucher zugekehrt ist. Was sah ich denn schon? Den berühmten Flickenschlafrock, die Hakennase – gefälscht mit der so nützlichen Substanz Paraffin –, den weißen Haarschopf, die stark vergrößernden Gläser, die die Augen versteckten. Was für ein Beweis existiert, dass Mr Farley jemals einen Traum gehabt

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