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Ein diskreter Held

Ein diskreter Held

Titel: Ein diskreter Held Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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Freund?«
    Felícito Yanaqué hörte kaum zu. Es kostete ihn tatsächlich große Mühe, ihm zu glauben: Der blonde Vignolo zahlte monatlich Schutzgeld an die Mafia. Er kannte ihn seit zwanzig Jahren, und immer hatte er ihn für einen aufrechten Kerl gehalten. Tolle Welt, in der sie lebten.
    »Sind Sie sicher, dass alle unsere Kollegen Schutzgeld zahlen?«, fragte er noch einmal und suchte nach den Augen seines Freundes. »Übertreiben Sie nicht vielleicht?«
    »Wenn Sie mir nicht glauben, fragen Sie selbst. So wie ich Vignolo heiße. Wenn nicht alle, dann wenigstens fast alle. Die Zeiten sind nicht danach, den Helden zu spielen, mein lieber Freund. Wichtig ist allein, dass wir arbeiten können und das Geschäft läuft. Wenn einem nichts anderes übrig bleibt, als Schutzgeld zu zahlen, dann zahlt man eben und fertig. Tun Sie dasselbe wie ich und spielen Sie nicht mit dem Feuer. Sie könnten es bereuen. Setzen Sie nicht aufs Spiel, was sie unter so vielen Opfern aufgebaut haben. Ich wäre ungern bei Ihrer Totenmesse dabei.«
    Nach dem Gespräch sank Felícito aller Mut. Er schämte sich, hatte Mitleid, war erbittert, verwundert. Nicht einmal in der Einsamkeit der Nacht, wenn er in seinem kleinen Wohnzimmer die Lieder von Cecilia Barraza auflegte, schaffte er es, an etwas anderes zu denken. Wie war es möglich, dass seine Kollegen sich derart einschüchtern ließen? Merkten sie nicht, dass sie sich, wenn sie darauf eingingen, selber die Hände banden und ihre Zukunft aufs Spiel setzten? Die Erpresser würden jeden Tag mehr verlangen, bis sie vor dem Konkurs standen. Ihm war, als hätte ganz Piura sich darauf verständigt, ihm zu schaden, als wären selbst jene, die ihn auf der Straße anhielten, umarmten und beglückwünschten, nur Heuchler, Teil der Verschwörung, um ihm zu entreißen, was er in all den Jahren im Schweiße seines Angesichts erreicht hatte. »Was auch immer passiert, Sie können beruhigt sein, Vater. Ihr Sohn lässt sich von diesen Feiglingen nicht herumschubsen, von niemandem.«
    Der Ruhm, den ihm die Anzeige in El Tiempo eintrug, änderte nichts an dem geordneten und arbeitsamen Leben von Felícito Yanaqué, auch wenn er sich nicht daran gewöhnen konnte, dass man ihn auf der Straße ansprach. Er war gehemmt undwusste nicht, was er sagen sollte zu all dem Lob und den Bekundungen der Solidarität. In aller Frühe stand er auf, machte seine Qigong-Übungen, und vor acht war er dann bei Transportes Narihualá. Dass die Zahl der Fahrgäste abgenommen hatte, besorgte ihn, aber er verstand es; nach dem Brand auf dem Gelände war es nicht verwunderlich, dass manche Kunden nun fürchteten, die Vergeltungsmaßnahmen der Verbrecher könnten sich auf die Fahrzeuge ausweiten, sie würden unterwegs überfallen und in Brand gesteckt. Die Busse nach Ayabaca, deren Route, mehr als zweihundert Kilometer, über eine enge Serpentinenstraße am Rande tiefer Andenschluchten führte, verloren fast die Hälfte der Kundschaft. Solange das Problem mit der Versicherung nicht gelöst war, konnte er auch das Büro nicht wieder herrichten. Aber Felícito machte es nichts aus, an dem Brett auf den beiden Fässern in der Ecke der Halle zu arbeiten. Stundenlang saß er mit der Señora Josefita zusammen und ging mit ihr durch, was von der Buchhaltung noch geblieben war, den Rechnungen, den Verträgen, den Quittungen und der Korrespondenz. Zum Glück waren nicht viele wichtige Unterlagen verlorengegangen. Untröstlich aber war seine Sekretärin. Josefita versuchte es sich nicht anmerken zu lassen, doch Felícito sah, wie unangenehm es ihr war, im Freien arbeiten zu müssen, vor den Augen von Fahrern, Mechanikern, Fahrgästen, die kamen und gingen, all den Leuten, die sich in die Schlange stellten, um Pakete aufzugeben. Sie hatte es ihm gestanden, und dabei zog sie die Schnute eines kleinen Mädchens:
    »Also, hier so vor allen Leuten zu arbeiten, ich weiß nicht, ich komme mir vor wie bei einem Striptease. Geht es Ihnen nicht auch so, Don Felícito?«
    »Viele von denen wären glücklich, wenn Sie ihnen einen Striptease hinlegten, Josefita. Sie haben ja gesehen, was für Komplimente Hauptmann Silva Ihnen jedes Mal macht, wenn er Sie sieht.«
    »Die Scherze von diesem Polizisten mag ich gar nicht«, sagte Josefita und errötete. »Und noch weniger die kleinen Blicke,die er mir zuwirft, Sie wissen schon, wohin, Don Felícito. Glauben Sie, er ist so ein Perverser? Habe ich zumindest gehört. Dass der Hauptmann bei den Frauen nur auf das

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