Ein diskreter Held
seinem Innern sagte ihm etwas, dass man sie nie fassen würde. Die Erpresser würden ihm weiter zusetzen, und irgendwann endete das alles in einer Tragödie. Gleichwohl brachten seine düsteren Gedanken ihn keinen Millimeter von dem Entschluss ab, weder vor ihren Drohungen noch vor ihren Angriffen zu kapitulieren.
Was ihn am meisten bedrückte, war das Gespräch mit seinem Kumpel, Kollegen und Konkurrenten, dem blondenVignolo. Der kam eines Morgens zu Transportes Narihualá, wo Felícito sich an einem improvisierten Schreibtisch, einem Brett auf zwei Ölfässern, in einer Ecke der Halle eingerichtet hatte. Von dort aus war dieser Schrotthaufen zu sehen – Wellblech, Wände, Mobiliar, alles versengt –, in das der Brand sein ehemaliges Büro verwandelt hatte. Selbst einen Teil der Decke hatten die Flammen zerstört. Durch das Loch war ein Stück hohen blauen Himmels zu erkennen. Zum Glück regnete es in Piura nur selten, außer in den Jahren mit El Niño. Der blonde Vignolo war zutiefst besorgt.
»Das hätten Sie nicht tun dürfen, mein Bester«, sagte er, umarmte ihn und zeigte ihm den Ausschnitt aus El Tiempo . »Wie können Sie nur Ihr Leben einfach so aufs Spiel setzen! Sie, immer die Ruhe selbst, Felícito, was hat Sie nur geritten. Wofür gibt es Freunde, che guá . Wenn Sie mich gefragt hätten, hätten Sie so einen Unsinn bestimmt nicht gemacht.«
»Deshalb habe ich Sie auch nicht gefragt, mein Lieber. Das habe ich gerochen, dass Sie mir raten würden, die Anzeige nicht aufzugeben.« Felícito deutete auf die Trümmer seines ehemaligen Büros. »Ich musste denen irgendwie antworten.«
Sie gingen auf einen Kaffee in eine Kneipe, die vor kurzem an der Ecke Plaza Merino und Calle Tacna aufgemacht hatte, neben einem Chinesen. Das Lokal war dunkel, und in dem schummrigen Licht schwirrten die Fliegen. Von dort aus waren die Mandelbäume auf dem kleinen Platz zu sehen und die verblasste Fassade der Karmelkirche. Es waren keine Gäste da, sie konnten in Ruhe sprechen.
»Ist Ihnen das noch nie passiert?«, fragte Felícito. »Haben Sie so etwas noch nie bekommen, einen Erpresserbrief?«
Überrascht sah er, wie der blonde Vignolo ein Gesicht zog, leicht aus der Fassung geriet und erst nicht wusste, was er antworten sollte. Seine Augen glänzten schuldig; er blinzelte die ganze Zeit und versuchte ihn nicht anzuschauen.
»Sagen Sie mir nicht, dass Sie …«, stammelte Felícito und packte seinen Freund am Arm.
»Ich bin kein Held und will es auch nicht sein», antworteteleise der blonde Vignolo. »Also ja, dann sage ich es Ihnen. Ich zahle jeden Monat eine kleine Summe. Ich weiß es zwar nicht genau, aber Sie können sicher sein, dass alle oder fast alle Bus- und Fuhrunternehmer von Piura ebenfalls Schutzgeld zahlen. Und das hätten Sie auch tun sollen, statt denen leichtfertig die Stirn zu bieten. Wir alle dachten, Sie würden ohnehin schon zahlen, Felícito. Das war wirklich töricht von Ihnen, weder ich noch sonst einer unserer Kollegen verstehen Sie. Sind Sie verrückt geworden? Mensch, man liefert sich doch keine Schlachten, die man nicht gewinnen kann.«
»Es will mir nicht in den Kopf, wie man sich vor diesen Arschlöchern so klein machen kann«, sagte Felícito betrübt. »Ich kann es einfach nicht glauben, wirklich nicht. Wo Sie immer so ein Musterknabe waren.«
»Es ist nicht der Rede wert, nur eine kleine Summe, die schlägt man zu den Gemeinkosten«, sagte der Blonde achselzuckend, beschämt, mit den Händen fuchtelnd, als wüsste er nicht, wohin damit. »Es lohnt sich nicht, für solche Peanuts das Leben aufs Spiel zu setzen, Felícito. Die fünfhundert, die sie verlangen, hätten sie auf die Hälfte heruntergesetzt, wenn Sie mit ihnen nur verhandelt hätten, ganz sicher. Sehen Sie denn nicht, was die mit Ihren Geschäftsräumen gemacht haben? Und dann schalten Sie auch noch diese Anzeige in El Tiempo . Sie riskieren Ihr Leben und das Ihrer Familie. Und selbst das der armen Mabel, ist Ihnen das nicht klar? Gegen die kommen Sie nicht an, das sage ich Ihnen, so wie ich Vignolo heiße. Die Erde ist rund, nicht eckig. Akzeptieren Sie es und versuchen Sie nicht, die verdrehte Welt, in der wir leben, geradezubiegen. Die Mafia ist mächtig, sie hat überall ihre Hände im Spiel, angefangen bei der Regierung und den Gerichten. Was sind Sie nur naiv, der Polizei zu vertrauen. Es würde mich nicht wundern, wenn die da auch mit drinstecken. Wissen Sie nicht, in was für einem Land wir leben, mein
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