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Ein diskreter Held

Ein diskreter Held

Titel: Ein diskreter Held Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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Nacht von Barranco, das Meer ein Rauschen in weiter Ferne. Das Buch hatte er gleich gefunden, in dem Regal mit den Romanen. Dort stand es. Es war das Kapitel XXV, angestrichen mit einem Kreuzchen und zwei Ausrufezeichen. Der Krater, die Episode der größten Verdichtung von Erlebnissen, die die ganze Geschichte in ihrem Wesen verändert, indem sie in eine realistische Welt eine übernatürliche Dimension einfügt. Die Episode, in der zum ersten Mal der Teufel erscheint und mit dem jungen Komponisten Adrian Leverkühn spricht, in seinem Refugium im italienischen Palestrina, und ihm den berühmten Pakt vorschlägt. Kaum warf er sich in die neuerliche Lektüre, war er gefangen von der erzählerischen Raffinesse. Der Teufel zeigt sich Adrian als völlig gewöhnlicher, eher schmächtiger Mann. Das Einzige, was auf Ungewöhnliches deutet, ist am Anfang die Kälte, die den jungen Musiker anweht und zittern lässt. Er sollte Fonchito einmal wie nebenbei fragen, nur so aus Neugier, »Ist dir eigentlich jedes Mal kalt, wenn dir diese Person erscheint?« Ach ja, und Hauptweh hat Adrian vor der Begegnung, die sein Leben verändern wird. »Sag mal, Fonchito, hast du eigentlich zufällig Kopfschmerzen, Durchfall, irgendwelche körperlichen Störungen, wenn diese Person sich dir zeigt?«
    Nach der Schilderung seines Sohnes war Edilberto Torres ebenfalls ein völlig gewöhnlicher, eher schmächtiger Mann. Rigoberto grauste es bei der Beschreibung des höhnischen Lachens, dass dieses Persönchen plötzlich erschallen ließ, dort im Halblicht des großen Hauses in dem italienischen Bergstädtchen, wo das verstörende Zwiegespräch stattfand. Aber warum hatte sein Unterbewusstes das Gelesene mit Fonchito und Edilberto Torres in Verbindung gebracht? Das ergab keinen Sinn. In Thomas Manns Roman steht der Teufel für die Syphilis und die Musik, zwei Manifestationen seiner unheilvollen Macht im Leben, und sein Sohn hatte diesen Edilberto Torres noch nie von Krankheiten oder klassischer Musik sprechen hören. Aber drängte sich da nicht die Frage auf, ob das Auftauchen des Aidsvirus, das in der Welt ebensolche Verheerungen anrichtete wie einst die Syphilis, nicht ein Zeichen war für jene Vorherrschaft, welche das Infernalische heute im Leben erlangte? Es war dumm, sich das vorzustellen, und gleichwohl spürte er, der Ungläubige, der eingefleischte Agnostiker, in dem Moment, dass diese halblichten Bücher und Bildbände um ihn her und die Finsternis dort draußen eben jetzt durchdrungen waren von einem gewaltigen, grausamen bösen Geist. »Fonchito, ist dir aufgefallen, dass das Lachen von Edilberto Torres nicht menschlich klingt? Ich meine, klingen die Laute, die er macht, als kämen sie aus keiner normalen Menschenkehle? Mehr so wie das Heulen eines Verrückten, das Krächzen eines Raben, das Zischen einer Schlange?« Der Junge würde schallend lachen und denken, sein Vater sei hier verrückt geworden. Erneut überkam ihn ein großes Unbehagen. Und binnen Sekunden wischte der Pessimismus die Augenblicke tiefen Glücks beiseite, die er eben mit Lucrecia geteilt hatte, das Vergnügen, das ihm die neuerliche Lektüre dieses Kapitels aus Doktor Faustus bereitete. Er löschte das Licht und schlurfte zurück ins Schlafzimmer. Nein, so konnte es nicht weitergehen, er musste Fonchito befragen, vorsichtig, um drei Ecken, musste herausfinden, was wirklich dran war an diesen Begegnungen, musste ein für alle Mal dieses absurde Trugbild verscheuchen, das die fiebrige Fantasie seines Sohnes ausgebrütet hatte. Meine Güte, die Zeiten waren nicht danach, dass der Teufel ein Lebenszeichen von sich gab und erneut den Menschen erschien.

V
    Die Anzeige, die Felícito Yanaqué, bezahlt aus eigener Tasche, in El Tiempo aufgab, machte ihn über Nacht in ganz Piura berühmt. Die Leute hielten ihn auf der Straße an und beglückwünschten ihn, bekundeten ihre Solidarität, baten um ein Autogramm; rieten ihm vor allem, vorsichtig zu sein: »Was Sie getan haben, ist sehr mutig, Don Felícito, che guá! Jetzt ist Ihr Leben wirklich in Gefahr.«
    Auf nichts von alledem war der Unternehmer besonders stolz, noch ängstigte es ihn. Was ihn am meisten beeindruckte, war die Veränderung, welche die kleine Anzeige in der wichtigsten Tageszeitung von Piura bei Sergeant Lituma bewirkte und mehr noch bei Hauptmann Silva. Dieser schmierige Kommissar, dem jeder Vorwand recht war, sich über die Hintern der Piuranerinnen auszulassen, war ihm noch nie sympathisch gewesen, und

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