Ein diskreter Held
spöttisches Lachen. »Ein Kerl, der mir mit seiner Knarre in der Tasche wie mein Schatten folgt? Habt ihr Hirnschmalz in euren Köpfen oder Sägemehl? Wenn ich mir Schutz kaufte, täte ich diesen Räubern den größten aller Gefallen. Das hieße zuzugeben, dass ich mich fürchte, dass ich mein Geld für so was ausgebe, weil sie mir Angst eingejagt haben. Es wäre dasselbe wie ihnen das verlangte Schutzgeld zu zahlen. Sprechen wir nicht mehr davon. Esst, Kinder, esst, der Eintopf wird kalt. Und wechseln wir das Thema.«
»Vater, bitte, es ist nur zu Ihrem Besten«, versuchte Miguel noch einmal, ihn zu überzeugen. »Damit Ihnen nichts passiert. Hören Sie auf uns, wir sind Ihre Söhne.«
»Kein Wort mehr davon«, sagte Felícito. »Wenn mir etwas passiert, steht ihr an der Spitze von Transportes Narihualá und könnt tun, was ihr wollt. Auch Leibwächter engagieren, wenn euch danach ist. Ich nie im Leben.«
Er sah, wie seine Söhne die Köpfe senkten und lustlos zu essen begannen. Beide waren immer recht artig gewesen, selbst in der Pubertät, wenn die Kinder sich normalerweise gegen die väterliche Autorität auflehnen. Er erinnerte sich nicht, dass sie ihm allzu viel Kopfschmerzen bereitet hätten, abgesehen von dem ein oder anderen Bockmist ohne größere Folgen. Wie Miguel mit seinem Unfall, als er auf der Straße nach Catacaos einen Esel tötete; er lernte fahren, und das Grautier war ihm plötzlich in den Weg getreten. Sie waren immer noch recht gehorsam, auch wenn sie längst erwachsen waren. Selbst als er Miguel sagte, er solle sich für ein Jahr als Freiwilliger bei derArmee melden, um sich abzuhärten, gehorchte der, ohne zu mucksen. Und ihre Arbeit erledigten sie immer, das musste er ihnen lassen. Er war nie sehr streng gewesen, aber auch keiner dieser hätschelnden Väter, die ihre Söhne verwöhnen und zu Tagedieben und Schwuchteln machen. Er hatte ihnen mitzugeben versucht, wie man sich allen Widrigkeiten stellt, damit sie einmal in der Lage wären, das Unternehmen voranzubringen, wenn er es nicht mehr konnte. Er hatte dafür gesorgt, dass sie die Schule beendeten, Autoschlosser lernten, den Führerschein für Bus und Lkw machten. Und beide hatten bei Transportes Narihualá in allen Funktionen gearbeitet: als Wächter, Kehrer, Hilfsbuchhalter, Beifahrer, Schaffner, Fahrer und so weiter. Er konnte beruhigt sterben, die beiden waren darauf vorbereitet, an seine Stelle zu treten. Auch vertrugen sie sich gut, sie hielten zusammen, Gott sei Dank.
»Ich jedenfalls habe keine Angst vor diesen Drecksäcken«, rief er plötzlich und schlug auf den Tisch. Seine Söhne hielten im Kauen inne. »Das Schlimmste, was sie mir antun könnten, wäre mich umzubringen. Aber davor habe ich auch keine Angst. Ich habe fünfundfünfzig Jahre gelebt, und das ist nicht wenig. Es beruhigt mich zu wissen, dass Transportes Narihualá in guten Händen ist, wenn ich zu meinem Vater aufbreche.«
Er merkte, wie die beiden Jungen zu lächeln versuchten, aber sie waren nervös, verlegen.
»Wir wollen nicht, dass Sie jetzt schon sterben, Vater«, murmelte Miguel.
»Wenn die Ihnen etwas antun, zahlen wir es ihnen heim«, versicherte Tiburcio.
»Ich glaube nicht, dass sie es wagen, mich zu töten«, sagte Felícito ruhig. »Das sind Diebe und Erpresser, weiter nichts. Um zu morden, braucht es mehr Saft in den Eiern, als Briefe mit Spinnenbildchen zu schicken.«
»Kaufen Sie sich wenigstens einen Revolver, dann sind Sie bewaffnet, Vater«, fing Tiburcio wieder an. »Dann können Sie sich notfalls wehren.«
»Ich werde darüber nachdenken«, sagte Felícito. »Aber jetztmüsst ihr mir versprechen, dass ihr euch, wenn ich aus dieser Welt gehe und Transportes Narihualá in euren Händen liegt, niemals von diesen Wichsern erpressen lasst.«
Er sah, wie seine Söhne einen so verwunderten wie erschrockenen Blick wechselten.
»Schwört es mir bei Gott, hier und jetzt«, sagte er. »Ich will zumindest auf der Seite beruhigt sein, sollte mir etwas passieren.«
Beide nickten, bekreuzigten sich und brummelten: »Wir schwören es bei Gott, Vater.«
Während des weiteren Essens sprachen sie von anderen Dingen. Und Felícito ging etwas durch den Kopf, was er sich schon oft gefragt hatte. Seit sie ausgezogen waren und ihr eigenes Leben lebten, wusste er nur sehr wenig von dem, was Tiburcio und Miguel machten, wenn sie nicht arbeiteten. Sie wohnten nicht zusammen. Der Ältere wohnte in einem Haus in einer Siedlung in Miraflores, einem
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