Ein diskreter Held
Weißenviertel natürlich, wo er sich ein Zimmer genommen hatte, und Tiburcio mietete zusammen mit einem Freund eine Wohnung in Castilla, in der Nähe des neuen Stadions. Ob sie Geliebte hatten? Gingen sie tanzen, spielten sie Glücksspiele? Betranken sie sich samstags mit Freunden? Besuchten sie Bars, Chichakneipen, Bordelle? Wie verbrachten sie wohl ihre freie Zeit? An den Sonntagen, wenn sie mal zum Mittagessen in der Calle Arequipa erschienen, erzählten sie nicht viel von ihrem Privatleben, und weder er noch Gertrudis fragten sie danach. Vielleicht wäre es gut, wenn er einmal mit ihnen darüber spräche und etwas mehr von den beiden Jungs erführe.
Das Schlimmste in diesen Tagen waren die Interviews, die er wegen der Anzeige in El Tiempo geben musste, mehreren Lokalradios, den Reportern der Tageszeitungen Correo und La República , dem Korrespondenten von RPP Noticias in Piura. Bei den Fragen der Journalisten war er angespannt, seine Hände wurden feucht, kleine Schlangen krochen ihm über den Rücken. Er antwortete mit langen Pausen, suchte nach den richtigen Worten, bestritt heftig, dass er ein ziviler Heldsei oder ein Beispiel für wen auch immer. Nichts dergleichen, wie kamen sie darauf, er hatte sich nur der Philosophie seines Vaters besonnen, der ihm als einziges Erbe diesen Rat hinterlassen hatte: »Lass dich niemals von irgendwem herumschubsen, mein Junge.« Es wurde gelächelt, und einige blickten ihn süffisant an. Er überging es, fasste sich ein Herz und fuhr fort. Er war einer, der anpackte, weiter nichts. Er war arm geboren, sehr arm, nicht weit von Chulucanas, in Yapatera, und was er hatte, hatte er sich mit seinen eigenen Händen verdient. Er zahlte seine Steuern, hielt sich an die Gesetze. Warum sollte er zulassen, dass ein paar Strolche ihm seinen Besitz wegnahmen? Dass sie ihm Drohungen schickten, ohne auch nur ihr Gesicht zu zeigen? Wenn niemand sich diesen Erpressungen beugte, würden die Erpresser verschwinden.
Genauso ungern nahm er Auszeichnungen entgegen, eiskalter Schweiß trat ihm auf die Stirn, sobald er Reden halten musste. Im Grunde erfüllte es ihn mit Stolz, und er dachte daran, wie glücklich sein Vater, der Yanacón Aliño Yanaqué, jetzt wäre über die Medaille des Vorbildlichen Bürgers, die ihm der Rotary Club an die Brust heftete, bei einem Mittagessen im Centro Piurano und in Anwesenheit des Regionalpräsidenten, des Bürgermeisters und des Bischofs von Piura. Doch als er für die Dankesworte ans Mikrofon treten musste, versagte ihm die Stimme. Dasselbe passierte ihm, als der Kultur-, Sport- und Bürgerverein Enrique López Albújar ihn zum Piuraner des Jahres erklärte.
In diesen Tagen erreichte ihn ein Brief des Club Grau, unterzeichnet vom Vorsitzenden persönlich, dem angesehenen Pharmazeuten Dr. Garabito León Seminario, der ihm mitteilte, der Vorstand habe seinen Antrag auf Mitgliedschaft einstimmig angenommen. Felícito traute seinen Augen nicht. Den Antrag hatte er vor zwei oder drei Jahren gestellt, und da er nie eine Antwort erhielt, dachte er, er habe die Hürde nicht genommen, weil er keiner von den Weißen war, wofür diese Herrschaften sich hielten, die in den Club gingen, um Tennis zu spielen, Tischtennis, Sapo, Würfel, um zu schwimmen oderan den Samstagen, wenn aufgespielt wurde, zu den besten Orchestern von Piura zu tanzen. Den Antrag eingereicht hatte er, nachdem er auf einem Fest des Clubs Cecilia Barraza hatte singen hören, die peruanische Künstlerin, die er am meisten bewunderte. Er war mit Mabel hingegangen und hatte am Tisch des blonden Vignolo gesessen, selber Mitglied. Wenn man ihn gefragt hätte, welcher der glücklichste Tag in seinem Leben war, hätte Felícito Yanaqué jenen Abend genannt.
Cecilia Barraza war schon seine heimliche Liebe gewesen, als er noch nicht einmal ein Foto von ihr kannte. Er hatte sich in ihre Stimme verliebt. Was er niemandem erzählte, denn es war etwas Intimes. Er saß im mittlerweile verschwundenen La Reina, einem Restaurant an der Ecke Malecón Eguiguren und Avenida Sánchez Cerro, wo sich an jedem ersten Samstag im Monat der Vorstand der Vereinigung der Überlandbusfahrer von Piura, dem er angehörte, zum Mittagessen traf. Sie stießen mit einem Gläschen Algarrobina an, als er plötzlich im Radio des Lokals einen seiner Lieblingsvalses hörte, Seele, Herz und Leben , gesungen so charmant, frech und gefühlvoll, wie er es noch nie gehört hatte. Weder Jesús Vázquez noch Los Morochucos, noch Lucha Reyes
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