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Ein diskreter Held

Ein diskreter Held

Titel: Ein diskreter Held Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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oder irgendein anderer der ihm bekannten einheimischen Sänger interpretierte diesen schönen Vals mit so viel Einfühlung, Anmut und Pfiff wie diese Sängerin, die er zum ersten Mal hörte. In jedes Wort, jede Silbe legte sie so viel Wahrheit und Harmonie, so viel Feingefühl und Zartheit, dass man Lust bekam, zu tanzen und gar zu weinen. Er fragte nach ihrem Namen, und es war: Cecilia Barraza. Als er die Stimme dieser jungen Frau hörte, schien er zum ersten Mal viele jener Wörter der peruanischen Valses vollkommen zu begreifen, die ihm vorher nur geheimnisvoll erschienen waren, wie Arpeggio, Omen, Labsal, Kadenz, Gierde, Herzensweide:

    Die Seele, um dich zu erobern,
    das Herz, um dich zu lieben,
    das Leben, um es zu leben,
    zusammen mit dir!
    Er fühlte sich erobert, gerührt, verzaubert, geliebt. Seither stellte er sich am Abend, bevor er einschlief, oder am Morgen, bevor er aufstand, manchmal vor, er lebte zwischen Arpeggios, Kadenzen, Omen und Labsalen an der Seite dieser Sängerin namens Cecilia Barraza. Und so hatte er, ohne irgendwem davon zu erzählen, am allerwenigsten natürlich Mabel, eine keusche Liebe gelebt, verliebt in dieses fröhliche Gesicht mit den so ausdrucksvollen Augen und dem so verführerischen Lächeln. Eine ganze Fotosammlung hatte er zusammengetragen, Fotos von ihr, die in Zeitungen und Zeitschriften erschienen waren und die er wohlverschlossen in einer Schublade seines Schreibtischs aufbewahrte. Der Brand hatte sie sämtlich vertilgt, aber nicht seine CD-Sammlung, die er auf sein Haus in der Calle Arequipa und das von Mabel in Castilla verteilt hatte. Er glaubte, alle zu besitzen, die Cecilia Barraza je aufgenommen hatte, diese Künstlerin, die seiner bescheidenen Meinung nach die kreolische Musik zu neue Höhen geführt hatte, die Valses, die Marineras, die Tonderos, die Pregones. Er hörte sie fast täglich, meist abends, nach dem Essen, wenn Gertrudis schlafen ging, in dem kleinen Wohnzimmer, wo der Fernseher und die Musikanlage standen. Die Lieder beflügelten seine Fantasie, und manchmal war er so gerührt von dieser zärtlichen Stimme, welche die Nacht liebkoste, dass seine Augen feucht wurden. Darum war er auch, als die Ankündigung erschien, sie komme nach Piura, um bei einer der Öffentlichkeit zugänglichen Vorstellung im Club Grau zu singen, einer der Ersten, der sich eine Eintrittskarte kaufte. Er lud Mabel ein, und der blonde Vignolo bat sie an seinen Tisch, wo sie vor dem Konzert ein üppiges Mahl mit Weißwein und Rotwein genossen. Die Sängerin live zu erleben, wenn auch aus einiger Entfernung, versetzte Felícito in einen Zustand der Trance. Sie kam ihm noch schöner, anmutiger und eleganter vor als auf den Fotos. Und nach jedem Lied klatschte er so begeistert, dass Mabel zu Vignolo sagte: »Sieh mal, Blondchen, wie der alte Lustmolch in Fahrt kommt.«
    »Denk nicht gleich schlecht von mir, Mabelita«, protestierteer, »was ich beklatsche, ist Cecilia Barrazas Kunst, nur ihre Kunst.«
    Der dritte Brief mit der kleinen Spinne kam erst eine ganze Weile nach dem zweiten, als Felícito sich schon fragte, ob sich die Mafiosi nach der Anzeige in El Tiempo und dem ganzen Rummel nicht vor Schreck damit abgefunden hätten, ihn besser in Ruhe zu lassen. Drei Wochen waren seit dem Brand vergangen, der Streit mit der Versicherung noch nicht geklärt, als eines Morgens Josefita, die gerade an dem improvisierten Schreibtisch in der Halles die Post durchsah, rief:
    »Seltsam, Don Felícito, ein Brief ohne Absender.«
    Der Chef riss ihn ihr aus der Hand und öffnete ihn sofort.

    Sehr geehrter Herr Yanaqué,
    es freut uns, dass Sie nun ein so geschätzter und angesehener Mann in unserer geliebten Stadt Piura sind. Wir wünschen Ihnen von Herzen, dass dieses Ansehen Ihrem Unternehmen Transportes Narihualá zum Vorteil gereicht, vor allem nach dem Rückschlag, den es aufgrund Ihrer Sturheit erleiden musste. Es wäre besser, wenn Sie die Lehren des Lebens akzeptierten und realistisch wären statt störrisch wie ein Maultier. Wir möchten nicht, dass Sie einen weiteren, noch größeren Verlust erleiden. Deshalb appellieren wir an Sie, sich nicht weiter zu versteifen und unseren Aufforderungen nachzukommen.
    Wie ganz Piura haben wir Ihre Anzeige in El Tiempo zur Kenntnis genommen. Wir sind Ihnen nicht böse. Mehr noch, wir verstehen, dass angesichts des Brandes, der Ihr Büro zerstört hat, das Temperament mit Ihnen durchgegangen ist und Sie die Anzeige aufgegeben haben. Wir vergessen es,

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