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Ein diskreter Held

Ein diskreter Held

Titel: Ein diskreter Held Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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die Tribüne gestiegen war? Was der Mann dort zu suchen hatte? Ehrlich gesagt, ich habe angefangen zu zittern, warum, weiß ich nicht, Papa.« Sein Sohn war noch blasser geworden und schien ganz verstört.
    »Sind Sie ein Lehrer hier an der Schule, Señor?«, fragte ihn Fonchito erschrocken, ohne dass er wusste, wovor er sich fürchtete.
    »Lehrer, nein, das nicht«, antwortete er mit dieser höflichen Ruhe, die ihn nie verließ. »Ich bin dem Markham College ab und zu behilflich, bei praktischen Dingen. Gebe dem Direktor einen Rat, wenn es um Verwaltungssachen geht. Ich komme gerne hierher, wenn schönes Wetter ist, um euch zuzusehen, den Schülern. Ihr erinnert mich an meine Jugend, und in gewisser Weise werde ich dann selber wieder jung. Aber das mit dem schönen Wetter ist vorbei. Schade, es hat angefangen zu nieseln.«
    »Mein Vater will wissen, wie Sie heißen, Señor«, sagte Fonchito und war überrascht, dass ihm das Sprechen so schwerfiel und seine Stimme so zitterte. »Weil, Sie kennen ihn doch, oder? Und auch meine Stiefmutter, oder?«
    »Ich heiße Edilberto Torres, aber weder Rigoberto noch Lucrecia werden sich an mich erinnern, wir haben uns nur beiläufig kennengelernt«, erklärte der Herr mit gewohnter Bedächtigkeit. Doch im Gegensatz zu anderen Malen beruhigte dieses höfliche Lächeln, dieser freundliche, durchdringende Blick Fonchito nicht, sondern erregte sein Misstrauen.
    Rigoberto bemerkte, wie seinem Sohn die Stimme versagte und die Zähne aufeinanderschlugen.
    »Ganz ruhig, mein Junge, nur keine Hast. Geht es dir nicht gut? Soll ich dir einen Schluck Wasser holen? Willst du mir die Geschichte später weitererzählen, oder morgen?«
    Fonchito schüttelte den Kopf. Die Wörter kamen ihm nur mit Mühe über die Lippen, als schliefe ihm die Zunge ein.
    »Ich weiß, dass du mir nicht glaubst, dass ich dir das alles umsonst erzähle, Papa. Aber, aber dann ist etwas sehr Seltsames passiert.«
    Er wandte sich ab und starrte auf den Boden. Er saß auf der Bettkante, noch in der Schuluniform, halb zusammengesunken, mit gequälter Miene. Rigoberto war gerührt, und er spürte, wie ihn eine Welle des Mitleids ergriff. Es war offensichtlich, dass der Junge litt. Und er wusste nicht, wie er ihm helfen sollte.
    »Wenn du mir sagst, dass es stimmt, glaube ich dir«, sagte er und strich ihm durchs Haar, eine Zärtlichkeit, die er so nicht oft zeigte. »Ich weiß genau, dass du mich nie angelogen hast, Fonchito.«
    Rigoberto, der bisher gestanden hatte, setzte sich auf den Stuhl am Schreibtisch seines Sohns. Er sah, wie er mühsam zu sprechen versuchte, wie er verängstigt auf die Wand schaute und seinen Blick über die Bücher im Regal schweifen ließ, um ihm nicht in die Augen zu sehen. Schließlich berappelte er sich:
    »Und während ich mich noch mit dem Mann unterhielt, kam der Stups angerannt, mein Freund, du kennst ihn, und rief:
    »Was ist los mit dir, Foncho! Die Pause ist zu Ende, alle gehen schon in ihre Klassen. Mensch, beeil dich.«
    Fonchito sprang auf.
    »Entschuldigen Sie, ich muss gehen, die Pause ist zu Ende«, verabschiedete er sich von Edilberto Torres und rannte seinem Freund entgegen.
    »Der Stups hat das Gesicht verzogen und sich an den Kopf gefasst, als wäre bei mir eine Schraube locker, Papa.«
    »Mensch, Foncho, bist du verrückt oder was?«, fragte er ihn, während sie zum Schulgebäude liefen. »Darf man wissen, von wem du dich da verabschiedet hast?«
    »Ich weiß nicht, wer der Typ ist«, erklärte Fonchito außer Atem. »Er heißt Edilberto Torres und sagt, er hilft dem Direktor bei praktischen Dingen. Hast du ihn hier schon mal gesehen?«
    »Von welchem Typen sprichst du überhaupt, du Knalltüte«, rief Stups keuchend und hörte auf zu rennen. Er hatte sich nach ihm umgeschaut. »Du warst doch ganz allein, du hast bloß mit der Luft geredet, wie die Leute, die nicht ganz richtig in der Birne sind. Kann es sein, dass du ein bisschen plemplem bist, Junge?«
    Sie waren jetzt im Klassenraum, die Tribüne am Fußballplatz war von dort aus nicht zu sehen.
    »Hast du ihn nicht gesehen?« Fonchito nahm ihn am Arm. »Diesen grauhaarigen Mann mit Anzug, Krawatte und violettem Pullover, der dort saß, neben mir? Schwör mir, dass du ihn nicht gesehen hast, Stups.«
    »Erzähl keinen Quatsch.« Der Stups tippte sich wieder an die Schläfe. »Du hast völlig allein dort gehockt, da war keiner außer dir. Das heißt, du bist entweder verrückt geworden, oder du siehst Gespenster. Du

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