Ein diskreter Held
Alfonso, nicht Luzifer«, antwortete er. »Meine Freunde nennen mich Foncho.«
»Dein Vater meint es nur gut mit dir, Junge«, mischte seine Stiefmutter sich ein. »Man weiß nie, was das für Typen sind, die an den Schultoren die Schüler anquatschen.«
»Oder Drogen verkaufen. Oder es sind Entführer oder Pädophile. Also pass gut auf.«
»Aber du solltest Luzifer heißen«, sagte der Herr und lächelte. Seine langsame und höfliche Stimme sprach jedes Wort mit der Korrektheit eines Grammatiklehrers. Das längliche, knochige Gesicht schien frisch rasiert zu sein. Er hatte lange Finger, die Nägel geschnitten.
»Ich schwöre dir, Papa, er sah aus wie ein sehr korrekter Herr.«
»Weißt du, was Luzifer bedeutet?«
Fonchito schüttelte den Kopf.
»Luzifer, das hat er zu dir gesagt?«, fragte Rigoberto. »Luzifer hast du gesagt?«
»Der das Licht bringt, der Träger des Lichts«, erklärte der Herr ganz ruhig.
»Er sprach wie in Zeitlupe, Papa.«
»Das soll heißen, dass du ein sehr gutaussehender Junge bist. Wenn du größer bist, werden alle Mädchen von Lima verrückt nach dir sein. Haben sie dir auf der Schule nicht beigebracht, wer Luzifer war?«
»Ich sehe es schon kommen, ich kann mir genau vorstellen, worauf er aus war«, murmelte Rigoberto und achtete nun sehr genau auf das, was sein Sohn sagte.
Fonchito schüttelte erneut den Kopf.
»Mir war klar, dass ich so bald wie möglich gehen musste, du hast mir schließlich oft genug gesagt, ich soll mich nicht von Unbekannten wie diesem Mann in ein Gespräch verwickeln lassen, Papa«, erklärte er fuchtelnd. »Aber, aber da war etwas an ihm, in seinem Benehmen, in seiner Art zu sprechen, er schien kein böser Mensch zu sein, wirklich nicht. Außerdem hatte mich die Neugier gepackt. Im Markham haben Sie uns, soweit ich mich erinnere, nie von Luzifer erzählt.«
»Er war der schönste der Erzengel, der Liebling Gottes dort oben.« Er scherzte nicht, er sprach sehr ernst, mit dem Anflug eines gütigen Lächelns in seinem glatt rasierten Gesicht, und dann deutete er zum Himmel. »Aber Luzifer, der wusste, wie schön er war, wurde überheblich, beging die Sünde des Hochmuts. Er fühlte sich nichts weniger als Gott gleich, stell dir vor. Und dann hat Er ihn bestraft, und vom Engel des Lichts wurde er zum Fürsten der Finsternis. So begann alles. Die Geschichte, die Zeit und das Böse, das menschliche Leben.«
»Er schien kein Priester zu sein, Papa, auch keiner dieser Missionierer, die von Tür zu Tür ziehen und religiöse Zeitschriften verschenken. Ich habe es ihn gefragt: ›Sind Sie ein Geistlicher, Señor?‹ ›Nein, nein, ich und Priester, Fonchito, niemals, ich weiß nicht, wie du auf so etwas kommst.‹ Und dann lachte er.«
»Das war unvorsichtig von dir, dich mit ihm zu unterhalten, vielleicht ist er dir bis hierher gefolgt«, schimpfte Lucrecia und strich ihm über die Stirn. »Nie wieder, niemals. Versprich es mir, mein Kleiner.«
»Ich muss jetzt gehen, Señor«, sagte Fonchito und stand auf. »Zu Hause warten sie auf mich.«
Der Herr versuchte nicht, ihn zurückzuhalten. Zum Abschied lächelte er ihm etwas offener zu, machte eine kleine Verbeugung und winkte ihm nach.
»Du weißt genau, was für einer das war«, sagte Rigoberto. »Du bist schon fünfzehn und weißt Bescheid über solche Dinge, nicht? Ein Perverser. Ein Pädophiler. Ich nehme an, ich brauche dir nicht zu erklären, was das bedeutet. Er hat dich beschnüffelt, was sonst. Lucrecia hat recht. Das war dumm von dir, ihm zu antworten. Du hättest sofort aufstehen und gehen sollen.«
»Der sah nicht aus wie ein Schwuler, Papa, ich schwöre«, antwortete Fonchito. »Die Schwulen, die sich nach Jungs umgucken, die erkenne ich sofort, an der Art, wie sie gucken. Noch bevor sie den Mund aufgemacht haben, ehrlich. Und weil sie mich immer anfassen wollen. Der war ganz anders, ein sehr feiner Herr, sehr höflich. Er sah nicht aus, als hätte er böse Absichten, wirklich nicht.«
»Das sind die Schlimmsten, Fonchito«, sagte Lucrecia, aufrichtig besorgt. »Die aussehen, als könnten sie kein Wässerchen trüben.«
»Sag mal, Papa«, Fonchito wechselte das Thema, »was mir der Herr da von dem Erzengel Luzifer erzählt hat, stimmt das?«
»Na ja, so steht es in der Bibel«, Rigoberto war sich unsicher. »Für die Gläubigen stimmt es jedenfalls. Unglaublich, dass man euch im Markham College nicht die Bibel lesen lässt, zumindest zur Allgemeinbildung. Aber schweifen wir nicht ab. Ich
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