Ein diskreter Held
meine.«
»Warum konzentrieren Sie sich nicht lieber auf die Ermittlung, Hauptmann«, sagte Lituma. »Sie haben doch gesehen, wie wütend Oberst Ríos Pardo ist. In diesem Tempo bringen wir den Fall nie hinter uns und werden auch nicht befördert.«
»Frauenärsche interessieren dich einfach nicht, das habe ich schon bemerkt, Lituma.« Der Hauptmann schüttelte mitleidig den Kopf. Doch sogleich lächelte er und leckte sich wie ein Miezekater die Lippen. »Ein Versäumnis in deiner männlichen Erziehung, das sage ich dir. Ein schöner Arsch ist das himmlischste Geschenk, das Gott dem Körper der Frau gegeben hat, zur Freude der Männer. Das findest du selbst in der Bibel, habe ich gehört.«
»Klar interessieren die mich, Hauptmann. Aber bei Ihnen ist es nicht nur Interesse, sondern Besessenheit und eine Sucht, bei allem Respekt. Machen wir uns wieder an die Spinnentierchen.«
Viele Stunden lang lasen sie immer wieder und untersuchten Wort für Wort, Buchstabe für Buchstabe und Strich für Strich die Briefe und Bildchen der Erpresser. Sie hatten in der Zentrale ein Schriftgutachten angefordert, aber der Sachverständige war im Krankenhaus, eine Hämorrhoidenoperation, und zweiWochen beurlaubt. Es war an einem dieser Tage, während sie Briefe mit den Unterschriften und Schreiben von amtlich registrierten Straftätern verglichen, als plötzlich, ein Funke in der Dunkelheit, in Litumas Kopf jener Verdacht aufblitzte. Eine Erinnerung, eine Assoziation. Hauptmann Silva sah, dass etwas mit seinem Gehilfen passierte.
»Du guckst auf einmal wie blöde. Was ist los, Lituma?«
»Nichts, gar nichts, Hauptmann.« Der Sergeant hob die Schultern. »Völlig belanglos. Ich habe mich nur an jemanden erinnert, den ich mal kannte. Er hat immer kleine Spinnen gemalt, wenn mich die Erinnerung nicht trügt. Ist bestimmt albern.«
»Bestimmt«, wiederholte der Hauptmann und musterte ihn. Er beugte sich zu ihm und schlug einen anderen Ton an. »Aber da wir nichts haben, ist etwas Albernes besser als nichts. Wer war dieser Typ? Komm schon, erzähl.«
»Eine alte Geschichte, Hauptmann.« Der Kommissar bemerkte, wie sich das Unbehagen in die Stimme und den Blick seines Gehilfen schlich, als wollte er nur ungern in seinen Erinnerungen wühlen, auch wenn er es nicht verhindern konnte. »Es wird nichts damit zu tun haben, kann ich mir denken. Aber ich erinnere mich gut, dieser Drecksack hat immer so kleine Bildchen gemalt, Kritzeleien, die vielleicht Spinnen waren. Auf ein Stück Papier, auf eine Zeitung. Manchmal auch auf den Boden einer Chichakneipe, mit einem Stöckchen.«
»Und wer ist dieser besagte Drecksack, Lituma? Sag es schon und eier nicht rum.«
»Gehen wir auf ein Glas Saft hinaus, raus aus diesem Backofen, Hauptmann«, schlug der Sergeant vor. »Das ist eine echt lange Geschichte, und wenn es Sie nicht langweilt, erzähle ich sie Ihnen. Ich lade Sie ein, keine Sorge.«
Sie gingen zur Perle vom Río Chira, ein Café an der Calle Libertad, neben einem Grundstück, auf dem es, erzählte Lituma seinem Chef, in seiner Jugend einen Hahnenkampfplatz gegeben habe, wo ordentlich gewettet worden sei. Er war ein paarmal hingegangen, aber er mochte keine Hahnenkämpfe,es machte ihn traurig, wie die armen Tiere sich mit Schnabelhieben und Sporenstichen gegenseitig zerfetzten. Eine Klimaanlage gab es nicht, dafür Ventilatoren, die das Lokal ein wenig kühlten. Gäste waren keine dort. Sie bestellten jeder einen Lúcuma-Saft mit viel Eis und steckten sich eine Zigarette an.
»Der Drecksack hieß Josefino Rojas und war der Sohn des Fährmanns Carlos Rojas, der früher Rinder von den Landgütern zum Schlachthof brachte, über den Fluss, in den Hochwassermonaten«, sagte Lituma. »Ich habe ihn kennengelernt, als ich noch jung war, fast noch ein Kind. Wir hatten unsere Clique. Wir haben gerne einen draufgemacht, mit Gitarre, Bier und Frauen. Jemand taufte uns, vielleicht auch wir selbst, ›die Unbezwingbaren‹. Wir hatten unsere eigene Hymne.«
Und mit leiser, kratziger Stimme, aber schwungvoll und fröhlich sang Lituma:
Wir sind die Unbezwingbaren,
zur Arbeit gehn wir nie:
Wir saufen!
Wir zocken!
Wir ficken sie!
Der Hauptmann johlte, lachte schallend und applaudierte:
»Na also, Lituma. Das heißt, zumindest als jungem Kerl hat er dir auch gestanden.«
»Wir, die Unbezwingbaren, waren am Anfang zu dritt«, fuhr der Sergeant wehmütig fort, versunken in seine Erinnerungen. »Meine Cousins, die Brüder León – José und
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