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Ein diskreter Held

Ein diskreter Held

Titel: Ein diskreter Held Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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Äffchen – und meine Wenigkeit. Drei Mangaches. Ich weiß nicht, wie Josefino zu uns gekommen ist. Er war nicht aus der Mangachería, sondern aus der Gallinacera, dort, wo der alte Markt war und der Schlachthof. Keine Ahnung, warum wir ihn in die Gruppe aufgenommen haben. Zwischen den beiden Vierteln gab es damals eine fürchterliche Rivalität. Mit Fausthieben und Messern. Ein Krieg, bei dem viel Blut geflossen ist in Piura, das kann ich Ihnen sagen.«
    »Puh, du erzählst mir aus der Steinzeit«, sagte der Hauptmann. »Ich weiß, wo die Mangachería war, oben im Norden, die Avenida Sánchez Cerro runter, beim alten Friedhof von San Teodoro. Aber die Gallinacera?«
    »Gleich da drüben, nicht weit von der Plaza de Armas, beim Fluss, Richtung Süden«, sagte Lituma und deutete dorthin. »Das Viertel hieß La Gallinacera wegen all der Rabengeier, die der Schlachthof anlockte, wenn die Rinder geschlachtet wurden. Wir Mangaches hielten es mit Sánchez Cerro, und die Geier waren für die APRA. Der Drecksack von Josefino war ein Geier und sagte, er sei Schlachterlehrling gewesen.«
    »Ihr wart damals also eine Bande.«
    »Bloß Straßenjungs, Hauptmann. Wir haben nur ein bisschen Unsinn gemacht, nichts Ernsthaftes. Ein paar Raufereien, darüber ging es nicht hinaus. Aber Josefino ist später Zuhälter geworden. Er hat Mädchen aufgerissen und sie als Nutten ins Grüne Haus gesteckt. Das war der Name des Bordells, an der Straße nach Catacaos, als Castilla noch nicht Castilla hieß, sondern Tacalá. Haben Sie das Etablissement mal kennengelernt? Es war prachtvoll.«
    »Nein, aber ich habe viel gehört über das berühmte Grüne Haus. Ein echter Mythos in Piura. Also Zuhälter. War der es, der die Spinnen gemalt hat?«
    »Genau der, Hauptmann. So kleine Spinnen, glaube ich, aber vielleicht beschummelt mich das Gedächtnis. Ich bin mir nicht sicher.«
    »Und warum hasst du diesen Zuhälter so, Lituma, wenn ich fragen darf?«
    »Gründe gibt es viele.« Das dicke Gesicht des Sergeanten verdüsterte sich, und die Wut stieg ihm in die Augen; sein Doppelkinn knetete er nun immer heftiger. »Vor allem hasse ich ihn für das, was er mir angetan hat, als ich im Gefängnis war. Sie kennen die Geschichte ja, man hat mich eingesperrt, weil ich mit einem Gutsbesitzer hier aus der Gegend russisches Roulette gespielt habe. Im Grünen Haus, um genau zu sein. So ein besoffener Weißer, Seminario mit Namen, und dabeihat er sich das Gehirn weggepustet. Und als ich im Gefängnis saß, hat Josefino mir mein Mädchen ausgespannt. Er hat sie ins Grüne Haus gesteckt, damit sie für ihn anschafft. Sie hieß Bonifacia. Ich hatte sie aus dem Alto Marañón hergebracht, aus Santa María de Nieva, drüben in Amazonien. Als sie Prostituierte wurde, nannte man sie, weil sie aus dem Dschungel kam, die Selvática.«
    »Ah, dann hattest du allerdings Gründe, ihn zu hassen«, sagte der Hauptmann und schüttelte den Kopf. »Das heißt, du hast eine richtige Vergangenheit, Lituma. Auf die Idee käme keiner, wo du jetzt so ein braver Kerl bist. Als hättest du nie auch nur einer Fliege etwas zuleide getan. Ehrlich, ich kann mir dich nicht beim russischen Roulette vorstellen. Ich habe ein einziges Mal gespielt, mit einem Kollegen, an einem betrunkenen Abend. Bei dem Gedanken frieren mir jetzt noch die Eier ein. Und dieser Josefino, warum hast du ihn nicht umgebracht, wenn ich fragen darf?«
    »Lust hatte ich schon, ich wollte nur nicht wieder hinter Gitter«, erklärte der Sergeant bedächtig. »Aber verprügelt habe ich ihn, dass ihm heute noch sämtliche Knochen wehtun müssen. Das alles ist zwanzig Jahre her, mindestens, Hauptmann.«
    »Bist du sicher, dass der Zuhälter die ganze Zeit so kleine Spinnen gemalt hat?«
    »Ich weiß nicht, ob es Spinnen waren«, sagte Lituma noch einmal. »Aber gemalt hat er, ja, andauernd. Auf Servietten, auf jeden Zettel, der ihm in die Finger kam. Das war sein Tick. Vielleicht hat es nichts zu tun mit dem, wonach wir suchen.«
    »Denk nach und versuch dich zu erinnern, Lituma. Konzentrier dich, schließ die Augen, blick zurück. Solche Spinnen wie die auf den Briefen, die man Felícito Yanaqué schickt?«
    »Da streikt mein Gedächtnis, Hauptmann«, entschuldigte sich Lituma. »Ich spreche von einer Geschichte, die Jahre her ist, das sagte ich doch, vielleicht zwanzig, vielleicht mehr. Keine Ahnung, warum ich diese Verbindung hergestellt habe. Am besten vergessen wir es.«
    »Weißt du, was aus dem Zuhälter Josefino

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