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Ein diskreter Held

Ein diskreter Held

Titel: Ein diskreter Held Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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merke nichts, außer dass ihr sehr aufgebracht seid.« Rigoberto begegnete ihnen mit herzlicher Gelassenheit, lächelte ihnen zu. »Da ihr beide durcheinander sprecht, ist mir, muss ich gestehen, ein wenig schwindlig.Ich verstehe nicht genau, worum es geht. Warum macht ihr nicht einfach einen Punkt und erklärt mir in aller Ruhe, was ihr von mir wollt.«
    Glaubten die Zwillinge schon, sie hätten das Spiel gewonnen? Dachten sie das vielleicht? Denn auf einmal legten sie eine gemäßigtere Haltung an den Tag, schauten ihn nun fröhlich an, nickten und warfen sich zufriedene kleine Blicke zu.
    »Ja, klar, entschuldige, das war ein bisschen überstürzt von uns«, sagte Miki. »Du weißt, wie sehr wir dich mögen, Onkel.«
    Er hat genauso große Ohren wie ich, dachte Rigoberto. Aber seine flattern, meine nicht.
    »Und entschuldige vor allem, wenn wir laut geworden sind«, fügte Schlaks an, immer noch wild fuchtelnd, wie ein tobendes Äffchen. »Aber da die Dinge nun mal so sind, ist das wohl normal, das wirst du verstehen. Die Verrücktheit dieses alten Trottels von unserem Vater macht uns ganz kribbelig, Miki und mich.«
    »Die Sache ist ganz einfach«, erklärte Miki. »Wir verstehen sehr gut, dass du dich, wo unser Vater dein Chef ist, nicht weigern konntest, dieses Papier als Trauzeuge zu unterschreiben. Genauso wie der arme Narciso, klar. Der Richter wird es berücksichtigen, ganz sicher. Als mildernder Umstand. Euch wird nichts passieren. Dafür sorgen die Anwälte.«
    So wie die reden, ist Anwalt für sie das Zauberwort, dachte Rigoberto amüsiert.
    »Ihr irrt euch, weder Narciso noch ich haben als Untergebene eures Vaters eingewilligt, Trauzeuge zu sein«, sagte er mit höflicher Aufmerksamkeit. »Ich habe es getan, weil Ismael nicht nur mein Chef ist, sondern ein alter Freund. Und Narciso auch, weil er euren Vater immer sehr mochte.«
    »Echt toller Gefallen, den du deinem lieben Freund da getan hast.« Schlaks war nun die Farbe ins Gesicht gestiegen, als hätte er zu lange in der Sonne gelegen, seine dunklen Augen blitzten ihn an. »Der Alte wusste nicht, was er tat, der ist gaga, schon lange. Er weiß nicht mehr, wo er ist und wer er ist, und noch weniger, was er tat, als er sich von dieser scheiß Cholaumgarnen ließ, in deren Fotze er sich dann verguckt hat, wenn du mir den Ausdruck erlaubst.«
    Fotze?, dachte Rigoberto. Das muss das hässlichste Wort sein, das es gibt. Ein Wort, das stinkt und Haare hat.
    »Glaubst du, wenn unser Vater zurechnungsfähig gewesen wäre, und er war immer ein vornehmer Herr, hätte er ein Dienstmädchen geheiratet, noch dazu eines, das bestimmt vierzig Jahre jünger ist als er?«, rief Miki, und dabei riss er den Mund auf und zeigte seine großen Zähne.
    »Glaubst du das?« Schlaks hatte jetzt gerötete Augen und eine gebrochene Stimme. »Nie und nimmer, du bist klug, gebildet, mach dir doch nichts vor, und vor allem versuch nicht, uns was vorzumachen. Wir lassen uns nicht verschaukeln, weder von dir noch von sonst wem, damit du es weißt.«
    »Wenn Ismael, wie ihr sagt, unzurechnungsfähig gewesen wäre, hätte ich sicher nicht als Trauzeuge zur Verfügung gestanden. Jetzt lasst mich bitte einmal reden. Ich verstehe, dass es euch nahegeht. Das wird euch niemand verdenken. Aber ihr müsst euch einen Ruck geben und die Tatsachen akzeptieren. Es ist nicht, was ihr denkt. Auch ich war sehr überrascht, als ich von Ismaels Hochzeit erfuhr. So wie alle Welt, klar. Aber Ismael wusste genau, was er tat, davon bin ich felsenfest überzeugt. Er hat die Entscheidung, zu heiraten, in aller Klarheit getroffen, in vollem Bewusstsein dessen, was er tat. Und auch der Konsequenzen.«
    Während er sprach, sah er, wie in den Gesichtern der Zwillinge die Empörung und der Hass anschwollen.
    »Ich nehme an, du wirst es nicht wagen, vor einem Richter den Quatsch zu wiederholen, den du da sagst.« Schlaks stand auf und kam einen Schritt auf ihn zu. Jetzt war er nicht mehr hochrot, sondern leichenblass und zitterte.
    Rigoberto rührte sich nicht. Er wartete darauf, dass er ihn schüttelte und vielleicht schlug, doch der Zwilling beherrschte sich, drehte um und setzte sich wieder. Über sein Gesicht rann der Schweiß. Bei den Drohungen sind wir schon. Kommen gleich auch noch die Schläge?
    »Wenn du mich erschrecken willst, hast du es geschafft, Schlaks«, sagte er, weiterhin ruhig. »Habt ihr beide es geschafft, besser gesagt. Wollt ihr die Wahrheit wissen? Ich habe eine Heidenangst, meine Neffen.

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