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Ein diskreter Held

Ein diskreter Held

Titel: Ein diskreter Held Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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verbrachte – ein Elend, das sie sich nicht vorstellen könnten –, bis aus ihm ein Unternehmer geworden war, Besitzer eines Fuhrparks mit vielen Autos, Lastwagen und Bussen, Inhaber eines renommierten Bus- und Fuhrunternehmens, das seinem bescheidenen Nachnamen Glanz verlieh. Er hatte sich den Respekt der Menschen verdient, und wer ihn kannte, wusste, dass er ein anständiger und ehrbarer Mann war. Seinen Kindern hatte er eine gute Erziehung, ein würdiges Leben und einen Beruf bieten können, und ihnen auch würde er Transportes Narihualá hinterlassen, eine Firma, welche die Kundschaft wie die Konkurrenz gleichermaßen schätzten. Das alles verdankte sich, mehr als seiner eigenen Anstrengung, der Aufopferung Aliño Yanaqués. Und er war nicht nur sein Vater gewesen, sondern auch seine Mutter und seine Familie, denn die Frau, die ihn zur Welt brachte, hatte Felícito nie gekannt, auch keine anderen Verwandten. Er wusste nicht einmal, warum er in Yapatera geboren war, einem kleinen Ort, wo Schwarze und Mulatten lebten und wo die Yanaqués, die Mestizen waren, Cholos, Fremdlinge zu sein schienen. Sie führten ein recht abgeschiedenes Leben, weil die Dunkelhäutigen in Yapatera sich nicht mit Aliño und seinem Sohn befreundeten. Und da sie keine Familie hatten oder sein Vater nicht wollte, dass Felícito erfuhr, wer seine Onkel und Tanten, Cousins und Cousinen waren und wo sie wohnten, hatten sie immer allein gelebt. Er wusste – erinnern konnte er sich natürlich nicht –, dass seine Mutter eines Tages, kurz nach seiner Geburt, davongelaufen war, wohin und mit wem auch immer. Nie wieder war sie aufgetaucht. Seit sein Kopf ein Gedächtnis hatte, erinnerte er sich, dass sein Vater wie ein Maultier schuftete, auf dem Stückchen Land, das ihm der Gutsbesitzer gab, und auf der Hazienda selbst, ohne einen Feiertag, alle Tage der Woche und alle Monate des Jahres. Was immer Aliño Yanaqué erhielt, und das war wenig, gab er für Felícito aus, damit er essen konnte, zur Schule ging, Schuhe hatte, Kleidung, Hefte, Stifte. Manchmal schenkte er ihm einSpielzeug, zu Weihnachten, oder gab ihm eine Münze, damit er sich einen Lutscher kaufte oder ein Stück Honigpaste. Er gehörte nicht zu diesen Vätern, die ihre Kinder die ganze Zeit knutschen und verhätscheln. Er war sparsam, streng, gab ihm nie einen Kuss, umarmte ihn nicht und erzählte ihm auch keine Witze, um ihn zum Lachen zu bringen. Aber er verzichtete auf alles, damit sein Sohn später nicht so ein analphabetischer Yanacón würde wie er. Damals hatte Yapatera nicht einmal eine kleine Schule. Felícito musste zu Fuß zur staatlichen Schule in Chulucanas laufen, fünf Kilometer hin und fünf wieder zurück, und nicht immer fand sich eine barmherzige Seele, die ihn im Lastwagen mitfahren ließ und ihm den Marsch ersparte. Er konnte sich nicht erinnern, einen einzigen Tag in der Schule gefehlt zu haben, und er hatte immer gute Noten. Da sein Vater nicht lesen konnte, musste er selbst ihm vorlesen, was im Zeugnis stand, und Felícito war glücklich, wenn er sah, wie bei den lobenden Kommentaren der Lehrer Aliños Gesicht aufblühte. Damit Felícito auf die Sekundarschule gehen konnte, mussten sie, da es in der einzigen solchen Schule in Chulucanas keinen Platz gab, nach Piura kommen. Zum Glück für Aliño wurde Felícito am Colegio Nacional San Miguel aufgenommen, der angesehensten öffentlichen Schule der Stadt. Vor seinen Mitschülern und Lehrern verheimlichte Felícito auf Anweisung seines Vaters, dass der sich seinen Lebensunterhalt damit verdiente, auf dem Zentralmarkt, drüben in der Gallinacera, Waren auf- und abzuladen, und dass er nachts den Müll auf die Lastwagen der Gemeindeverwaltung lud. All die Mühe, damit sein Sohn lernte und, wenn er einmal groß war, kein Yanacón wäre, kein Lastenträger und kein Müllmann. Der Rat, den Aliño ihm gab, bevor er starb, »Lass dich niemals von irgendwem herumschubsen, mein Junge«, war die Devise seines Lebens gewesen. Auch jetzt würde er sich nicht herumschubsen lassen, nicht von diesen Räubern, Brandstiftern und Entführern, diesen Bastarden von sieben Samen.
    »Mein Vater hat nie um etwas gebettelt und sich auch nicht demütigen lassen«, schloss er.
    »Ihr Vater muss eine so aufrechte Person gewesen sein wie Sie, Don Felícito«, schmeichelte ihm der Kommissar. »Ich würde nie von Ihnen verlangen, ihn zu verraten, das schwöre ich. Ich bitte Sie nur um einen kleinen Schwindel, eine Finte, und dass Sie die

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