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Ein diskreter Held

Ein diskreter Held

Titel: Ein diskreter Held Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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aber die Polizei, zumindest hier in Piura, ist doch eine Lachnummer. Die tut überhaupt nichts, außer Schmiergeld zu verlangen.«
    »Nicht nur in Piura«, nahm Lituma den Faden auf. »In ganz Peru sind wir eine Lachnummer, Cousin. Aber ich zumindest, das kann ich dir sagen, habe in all den Jahren, die ich die Uniform trage, von niemanden auch nur einmal Schmiergeld verlangt. Deshalb bin ich auch ärmer als ein Bettler. Aber zurück zu Don Felícito, die Sache geht tatsächlich nicht voran, dafür sind wir zu schlecht ausgestattet. Der Schriftsachverständige, der uns helfen sollte, ist wegen einer Hämorrhoidenoperationbeurlaubt. Die ganzen Ermittlungen stehen still, weil diesem Herrn der Arsch juckt, nicht zu fassen.«
    »Willst du damit sagen, dass ihr noch nicht die kleinste Spur habt?«, fragte Äffchen nach. Lituma hätte schwören können, dass José seinen Bruder mit den Augen anflehte, das Thema zu beenden.
    »Ein paar Spuren schon, nur keine besonders heiße«, sagte der Sergeant. »Aber früher oder später patzen sie. Das Problem ist, dass in Piura jetzt nicht nur eine Mafia zugange ist, sondern mehrere. Aber sie werden in die Falle gehen. Alle machen sie einen Fehler und verraten sich am Ende. Leider haben sie bisher noch keinen gemacht.«
    Er fragte sie noch einmal nach Tiburcio und Miguelito, Don Felícitos Söhnen, und wieder hatte er den Eindruck, dass José das Thema unangenehm war. Auch widersprachen sich die beiden Brüder:
    »Eigentlich kennen wir sie ja noch gar nicht lange«, warf José mehrmals ein.
    »Was heißt nicht lange, seit mindestens sechs Jahren«, meinte Äffchen. »Weißt du nicht mehr, wie Tiburcio uns mal in einem seiner Pick-ups nach Chiclayo gefahren hat? Wie lange ist das her? Schon ewig. Bei diesem Geschäft, das dann schiefgegangen ist.«
    »Was für ein Geschäft, Cousin?«
    »Wir haben den Gemeinden und Kooperativen im Norden Landmaschinen verkauft«, sagte José. »Die Typen haben nie bezahlt. Sie haben alle Wechsel platzen lassen. Wir haben fast unser ganzes Kapital verloren.«
    Lituma fragte nicht weiter nach. Am Abend dann, nachdem er sich von Äffchen und José verabschiedet, ihnen für die Einladung gedankt, ein Sammeltaxi zu seiner Pension genommen und sich ins Bett gelegt hatte, blieb er noch lange wach und dachte über seine Cousins nach. Vor allem über José. Warum misstraute er ihm? Bloß wegen der kleinen Zeichnungen, die er mit dem Fingernagel in den Tisch ritzte? War sein Verhalten tatsächlich verdächtig? Wann immer Don Felícitos Söhnezur Sprache kamen, reagierte er seltsam. Oder bildete er sich das bloß ein, weil sie bei ihrer Fahndung im Dunkeln tappten? Sollte er Hauptmann Silva von seinen Zweifeln berichten? Lieber warten, bis der Nebel sich verzog und das Ganze Konturen annahm.
    Am nächsten Morgen jedoch erzählte er es gleich als Erstes seinem Chef. Hauptmann Silva hörte ihm aufmerksam zu, ohne ihn zu unterbrechen, schrieb etwas in ein winziges Notizbuch, mit einem so kleinen Bleistift, dass der zwischen seinen Fingern verschwand. Am Ende murmelte er: »Ich habe nicht den Eindruck, dass das etwas Ernsthaftes ist. Keine Spur, die zu verfolgen wäre, Lituma. Deine Cousins scheinen mir eine blütenweiße Weste zu haben.« Aber dann grübelte er, schweigend, kaute auf seinem Bleistift wie auf einem Zigarettenstummel. Und plötzlich traf er eine Entscheidung:
    »Weißt du was, Lituma? Wir sprechen noch einmal mit den Söhnen von Don Felícito. Nach dem, was du mir erzählst, denke ich, da ist noch Saft in der Zitrone. Wir müssen sie noch ein wenig auspressen. Lad sie für morgen vor, aber einzeln.«
    In dem Moment klopfte der Polizist vom Eingang an die Tür der Stube und steckte sein bartloses Kindergesicht durch den Spalt, der Herr Felícito Yanaqué sei am Telefon, Herr Hauptmann, sehr dringend. Lituma sah, wie der Kommissar den Hörer von dem alten Apparat abnahm, hörte, wie er »Guten Tag, Don Felícito« murmelte, und dann strahlte sein Gesicht, als hätte man ihm mitgeteilt, er habe im Lotto gewonnen. »Wir kommen«, rief er und hängte ein.
    »Mabel ist aufgetaucht, Lituma. Sie ist in ihrem Haus in Castilla. Schnell hin. Habe ich es nicht gesagt? Sie haben die Geschichte geschluckt! Sie haben sie freigelassen!«
    Er war so glücklich, als hätten sie die Erpresser mit der kleinen Spinne schon geschnappt.

X
    »Das ist ja eine Überraschung«, rief Pater O’Donovan, als er Rigoberto in die Sakristei kommen sah, wo er, nach dem Gottesdienst

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