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Ein diskreter Held

Ein diskreter Held

Titel: Ein diskreter Held Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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Anzeige in El Tiempo aufgeben, die man von Ihnen verlangt. Die werden glauben, sie hätten sie kleingekriegt, und Mabel freilassen. Das ist jetzt das Wichtigste. So zeigen sie sich, und wir können sie schnappen.«
    Schließlich war Don Felícito einverstanden, und zusammen mit dem Hauptmann setzte er den Text auf, der dann am nächsten Tag in der Zeitung erschien.

    DANKSAGUNG FÜR DEN GEFANGENEN CHRISTUS VON AYABACA

    Von ganzem Herzen danke ich dem Gefangenen Christus von Ayabaca, der in seiner unendlichen Güte das göttliche Wunder vollbracht hat, um das ich ihn gebeten habe. Ich werde immer dankbar sein und bereit, alle Schritte zu befolgen, die er mir in seiner großen Weisheit und Barmherzigkeit aufzeigen mag.
    Ein frommer Pilger
    In diesen Tagen erhielt Lituma eine Nachricht der Brüder León. Sie hatten Rita, Äffchens Frau, überredet, ihn ausgehen zu lassen, so dass sie statt mittags nun abends essen gehen könnten, am Samstag. Sie trafen sich in einem Chinarestaurant, in der Nähe des Klosters der Nonnen vom Colegio Lourdes. Lituma ließ seine Uniform in der Pension der Calanchas und ging in Zivil, in dem einzigen Anzug, den er besaß. Vorher brachte er ihn noch in die Wäscherei, zum Waschen und Bügeln. Eine Krawatte zog er nicht an, aber er kaufte sich ein Hemd, in einem Geschäft, das seine Lagerbestände räumte. Bei einem Zeitungsstand ließ er sich die Schuhe putzen und wusch sich in einer öffentlichen Dusche, bevor er zu dem Treffen mit seinen Cousins ging.
    Es kostete ihn mehr Mühe, Äffchen wiederzuerkennen als José, denn der Bruder hatte sich allerdings verändert. Wobei das Äußere nicht ausschlaggebend war, auch wenn er sehr viel dicker war als früher, mit spärlichem Haar, violetten Säcken unter den Augen und Fältchen unter den Schläfen, um den Mund und am Hals; auch wenn er nun sportlich gekleidet war, sehr elegant, mit hellbeigen Slippern, einem Kettchen am Handgelenk und einem weiteren über der Brust. Die größte Veränderung war seine gesetzte Haltung, dieser Gleichmut eines Menschen, der in sich ruht, weil er das Geheimnis des Daseins entdeckt hat, die Art, sich mit aller Welt zu verstehen. Keine Spur mehr war zu erkennen von dem Affengetue und den Clownerien, mit denen er sich in seiner Jugend hervorgetan und seinen Spitznamen erworben hatte.
    Er umarmte ihn herzlich: »Unglaublich, dich wiederzusehen, Lituma!«
    »Fehlt nur noch, dass wir die Hymne der Unbezwingbaren singen«, rief José. Dann klatschte er in die Hände, der Chinese möge ihnen ein paar schön kühle Cusceña-Bier bringen.
    Das Beisammensein war am Anfang etwas zäh und schwierig, denn nachdem sie ihre gemeinsamen Erinnerungen aufgefrischt hatten, gab es immer wieder stumme Momente, begleitet von gezwungenem Kichern und nervösen Blicken. Es war viel Zeit vergangen, jeder hatte sein Leben gelebt, es war nicht einfach, an die Kameradschaft von früher anzuknüpfen. Lituma rutschte unbehaglich auf seinem Stuhl hin und her, sagte sich, vielleicht wäre es besser gewesen, sie hätten sich nicht wiedergesehen. Er musste an Bonifacia denken, an Josefino, und in seinem Magen schnürte sich etwas zusammen. Doch je leerer die Flaschen Bier wurden, mit dem sie den gebratenen Reis, die chinesischen Nudeln, die Pekingente, die Wan-Tan-Suppe, die Garnelen im Teigmantel begleiteten, desto mehr kam ihr Blut in Schwung und lockerten sich ihre Zungen. Sie fühlten sich nun etwas entkrampfter und wohler. José und Äffchen erzählten Witze, und Lituma stachelte seinen Cousin an, ein paar Leute nachzuahmen, wie es als Jugendlicher seineSpezialität gewesen war. Zum Beispiel die Predigten von Pater García in seiner Pfarrkirche der Lieben Frau vom Karmel, an der Plaza Merino. Äffchen zierte sich zuerst, aber dann gab er sich einen Ruck, fing an zu predigen und schleuderte die biblischen Blitze des alten spanischen Priesters, Philatelisten und Wüterichs, von dem die Legende ging, er habe mit einer Schar von Betschwestern das erste Bordell in der Geschichte von Piura niedergebrannt, auf dem Weg nach Catacaos, mitten in der Ödnis, geführt vom Vater der Chunga chunguita. Armer Pater García! Wie hatten die Unbezwingbaren ihm das Leben sauer gemacht, wenn sie ihm auf der Straße »Brandstifter! Brandstifter!« nachriefen. Seine letzten Jahre waren für den alten Wüterich ein einziger Leidensweg gewesen. Und jedes Mal, wenn er sie auf der Straße sah, schleuderte er ihnen Schmähungen entgegen: »Faulpelze! Trunkenbolde!

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