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Ein diskreter Held

Ein diskreter Held

Titel: Ein diskreter Held Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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Verkommene Subjekte!« Ach, war das lustig, waren das Zeiten. Zeiten, die, wie es im Tango hieß, gingen, um nicht wiederzukehren.
    Als sie das Essen mit einem Nachtisch von karamellisierten Apfelstückchen beendet hatten, aber noch weitertranken, war in Litumas Kopf nur noch ein sanfter, angenehmer Wirbel. Alles drehte sich, und ab und zu überkam ihn ein unbezähmbares Gähnen, das ihm fast die Kinnlade ausrenkte. In diesem Halbdusel hörte er auf einmal, wie Äffchen von Felícito Yanaqué sprach. Er fragte ihn etwas. Und er spürte, wie dieser beginnende Rausch sich verflüchtigte und er die Kontrolle über sein Bewusstsein wiedergewann.
    »Was ist los mit dem armen Don Felícito, Cousin?«, fragte Äffchen noch einmal. »Du weißt bestimmt was. Bleibt er immer noch dabei, das Schutzgeld nicht zu zahlen? Miguelito und Tiburcio sind sehr besorgt, die Sache geht den beiden heftig an die Nieren. Als Vater ist er zwar immer streng zu ihnen gewesen, aber sie lieben ihren alten Herrn. Sie haben Angst, dass die Mafia ihn umbringt.«
    »Kennst du die Söhne von Don Felícito?«, fragte Lituma.
    »Hat José dir das nicht erzählt?«, sagte Äffchen. »Wir kennen sie schon irre lange.«
    »Sie haben die Fahrzeuge von Transportes Narihualá in die Werkstatt gebracht, zum Reparieren und zur Inspektion.« José schien verärgert über Äffchens indiskrete Art. »Die beiden sind anständige Kerle. Nicht dass wir echte Freunde wären. Nur Bekannte.«
    »Wir haben öfter zusammen gespielt«, fügte Äffchen hinzu. »Tiburcio ist wahnsinnig gut beim Würfeln.«
    »Erzählt mir ein bisschen mehr von ihnen«, hakte Lituma nach. »Ich habe sie bloß zweimal gesehen, auf dem Revier, als sie für ihre Aussage kamen.«
    »Wirklich schwer anständig«, bestätigte Äffchen. »Was ihrem Vater da passiert, das nimmt sie sehr mit. Auch wenn der alter Herr ihnen gegenüber offenbar immer recht selbstherrlich war. Er hat sie alles machen lassen in der Firma, angefangen beim Niedrigsten. Sie sind immer noch bloß Fahrer, und angeblich zahlt er ihnen dasselbe wie den anderen. Er macht da keinen Unterschied, obwohl es seine Kinder sind. Sie bekommen nicht einen Heller mehr, auch keinen Tag Urlaub mehr. Und wie du sicher weißt, hat er Miguelito zur Armee geschickt, angeblich, weil er schon auf Abwege geriet. Ein tüchtiger Kerl, der Alte!«
    »Don Felícito ist einer dieser seltenen Typen, die einem nur ab und zu im Leben begegnen«, urteilte Lituma. »Der aufrechteste Mensch, den ich kenne. Jeder andere Unternehmer hätte längst das Schutzgeld gezahlt und sich diesen Albtraum vom Hals geschafft.«
    »Na ja, Miguelito und Tiburcio werden jedenfalls Transportes Narihualá erben, dann sind sie aus dem Elend raus«, worauf José das Thema wechselte: »Und du, wie geht’s dir, Cousin? Ich meine, mit den Weibern zum Beispiel. Hast du eine Frau, eine Geliebte? Oder bloß Nutten?«
    »Jetzt halt dich zurück, José«, Äffchen fuchtelte und grimassierte, so wie früher. »Du bringst den Cousin ja ganz durcheinander mit deiner Neugier, wo du immer nur das Schlechteste denkst.«
    »Vermisst du etwa immer noch die Kleine, die Josefino zurNutte gemacht hat, Cousin?« José lachte. »Sie wurde die Selvática genannt, nicht?«
    »Ich weiß gar nicht mehr, wer das war«, Lituma sah an die Decke.
    »Erinner den Cousin nicht an traurige Sachen, José, che guá .«
    »Sprechen wir lieber von Don Felícito«, sagte Lituma. »Wirklich, der Mann hat Charakter. Und Saft in den Eiern. Er hat mich beeindruckt.«
    »Wen nicht, er ist der Held von Piura, fast so berühmt wie der Admiral Grau«, sagte Äffchen. »Wo er jetzt so beliebt ist, traut sich die Mafia vielleicht nicht, ihn umzubringen.«
    »Im Gegenteil, gerade weil er so berühmt ist, werden sie versuchen ihn umzubringen. Er hat sie lächerlich gemacht, und das können sie nicht erlauben«, meinte José. »Die Ehre der Mafia steht auf dem Spiel, Bruder. Wenn Don Felícito jetzt seinen Kopf durchsetzt, hören alle Unternehmer, die Schutzgeld zahlen, gleich morgen damit auf, und die Mafia ist am Ende. Glaubt ihr, die machen das mit?«
    War José nervös geworden? Lituma bemerkte, während er immer wieder gähnte, wie sein Cousin anfing, erneut mit dem Fingernagel Striche in die Tischplatte zu ritzen. Er sah nicht näher hin, um sich nicht wieder einzureden, er male kleine Spinnen.
    »Und warum tut ihr nicht endlich was, Cousin?«, rief Äffchen. »Die Guardia Civil, meine ich. Sei mir nicht böse, Lituma,

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