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Ein diskreter Held

Ein diskreter Held

Titel: Ein diskreter Held Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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Radfahrer. Nach wie vor war er ein bescheidener, sympathischer Mensch, so dass es für Rigoberto, wann immer sie sich sahen, schon zu einer Art Leitmotiv geworden war, ihm zu sagen: »Na, wenigstens hast du dich nicht verändert, Pepín, wenigstens siehst du nicht auch noch aus wie ein Pfaffe.« Worauf der ihn mit dem Spitznamen aus seiner Jugendzeit aufzog: »Und dir wachsen ja immer noch diese Eselsdinger, Öhrchen. Wie kommt das bloß?«
    »Es geht nicht um mich«, erklärte Rigoberto. »Sondern um Fonchito. Lucrecia und ich wissen nicht mehr, was wir mit dem Jungen tun sollen, Pepín. Er bringt uns noch um den Verstand.«
    Sie hatten sich weiterhin recht regelmäßig gesehen. Pater O’Donovan hatte Rigoberto und Eloísa getraut, seine erste Frau, die verstorbene Mutter von Fonchito, und als er dann Witwer wurde, traute er ihn auch mit Lucrecia, bei einer Feier im kleinen Kreise mit nur einer Handvoll Freunde. Er hatte Fonchito getauft und kam, wenn auch nur selten, zum Mittagessen und zum Musikhören zu ihnen nach Hause, wo die Familie ihn stets herzlich empfing. Rigoberto hatte ihm ein paarmal, für karitative Projekte der Gemeinde, mit Spenden geholfen, privat und von der Versicherungsgesellschaft. Aber wenn sie sich sahen, sprachen sie vor allem von Musik, was Pepín O’Donovan immer sehr gefiel. Das ein oder andere Mal luden Rigoberto und Lucrecia ihn zu den Konzerten ein, welche die Philharmonische Gesellschaft von Lima in der Aula des Colegio Santa Úrsula veranstaltete.
    »Keine Sorge, Mensch, wird schon nichts sein«, sagte Pater O’Donovan. »Mit fünfzehn haben alle auf der Welt Probleme oder machen welche. Und wenn nicht, sind sie dumm. Das ist normal.«
    »Normal wäre, wenn er meinte, er müsste sich besaufen, zu den Nutten gehen, einen Joint rauchen, irgendwelchen Unsinn treiben, so wie du und ich, als wir in den Flegeljahren waren«, sagte Rigoberto bekümmert. »Nein, mein Lieber, danach steht Fonchito nicht der Sinn. Die Sache ist, nun ja, ich weiß, du wirst lachen, aber seit einiger Zeit redet er sich ein, dass ihm der Teufel erscheint.«
    Pater O’Donovan mussten an sich halten, doch dann lachte er schallend.
    »Ich lache nicht über Fonchito, sondern über dich«, erklärte er und lachte immer noch. »Dass du, Öhrchen, vom Teufel sprichst. Aus deinem Mund klingt diese Gestalt mehr als merkwürdig. Unpassend.«
    »Ich weiß nicht, ob es der Teufel ist, das habe ich auch nie gesagt, ich habe dieses Wort nie benutzt, ich weiß nicht, warum du es benutzt, Papa«, protestierte Fonchito, mit einem so dünnen Stimmchen, dass sein Vater sich, um kein Wort zu verpassen, zu ihm beugen musste.
    »Schon gut, tut mir leid, Junge«, sagte er. »Ich bitte dich nur, dass du mir eines sagst. Und das meine ich ernst, Fonchito. Wenn Edilberto Torres bei dir auftaucht, ist dir da jedes Mal kalt? Als wehte dort plötzlich ein eisiger Wind?«
    »So ein Quatsch, Papa.« Fonchito riss die Augen auf und wusste nicht, ob er lachen oder weiter ernst bleiben sollte. »Willst du mich auf den Arm nehmen oder was?«
    »Erscheint er ihm wie der Teufel dem berühmten Pater Urraca, in Gestalt einer nackten Frau?« Pater O’Donovan lachte erneut. »Ich nehme an, du hast diese Überlieferung von Ricardo Palma gelesen, Öhrchen, es ist eine der amüsantesten.«
    »Schon gut, schon gut«, entschuldigte sich Rigoberto nocheinmal, »du hast recht, du hast mir nie gesagt, dass dieser Edilberto Torres der Teufel ist. Es tut mir wirklich leid, ich weiß, ich sollte damit keine Scherze machen. Das mit der Kälte war wegen eines Romans von Thomas Mann, wo der Teufel einem Komponisten erscheint. Vergiss meine Frage. Ich weiß nur nicht, wie ich diese Person nennen soll, die vor dir einfach so erscheint und verschwindet, die an den unerwartetsten Orten Gestalt annimmt, so jemand kann nicht aus Fleisch und Blut sein, mein Junge, jemand wie du und ich, oder? Ich schwöre dir, ich mache mich nicht über dich lustig. Ich sage nur ganz offen, was ich denke. Wenn es nicht der Teufel ist, dann wird es ein Engel sein.«
    »Klar machst du dich lustig, Papa«, erwiderte Fonchito. »Ich habe weder gesagt, dass es der Teufel ist, noch ein Engel. Mir hat dieser Herr immer den Eindruck gemacht, dass er ein Mensch ist wie du und ich, aus Fleisch und Blut, ganz normal. Wenn du willst, brechen wir das Gespräch hier ab und reden nie wieder von Herrn Edilberto Torres.«
    »Das ist kein Spiel, es sieht nicht so aus«, sagte Rigoberto sehr ernst. Pater

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